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Rücktritt wäre besser

Karl Zawadzky8. April 2004

Der wegen einer Einladung in ein Luxushotel in die Kritik geratene Bundesbank-Präsident Ernst Welteke lässt seine Ämter ruhen. Sein Rücktritt wäre jedoch besser für Amt und Land, meint Karl Zawadzky in seinem Kommentar.

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Nach der rauschenden Europarty in der Sylvesternacht 2001 am Brandenburger Tor nun eine Hängepartie an der Spitze der Deutschen Bundesbank: Bundesbankpräsident Ernst Welteke ist nicht zurückgetreten, sondern lässt – einem Rat der übrigen Vorstandsmitglieder folgend – bis zur Klärung des gegen ihn erhobenen Vorwurfs der Vorteilsannahme sein Amt ruhen. Das ist der Mittelweg zwischen Aussitzen der Affäre und einem Rausschmiss des obersten Währungshüters Deutschlands. Für eine Ablösung Weltekes, die seit Tagen in der Öffentlichkeit vehement gefordert wird, sahen die übrigen Vorstandsmitglieder am Ende ihrer achtstündigen Beratung über die Hotelaffäre des Präsidenten "keinen hinreichenden Grund".

Worum geht es? Welteke hat mit Frau und Kindern auf Einladung der Dresdner Bank an der Jubelfeier für den Euro teilgenommen und den Aufenthalt im Luxushotel Adlon gleich auf vier Tage ausgedehnt . Die Rechnung in Höhe von 7 661,20 Euro beglich der Gastgeber Dresdner Bank. Erst als die Affäre hochkochte, hat er zwischen dienstlichem Anlass und privatem Vergnügen unterschieden und der Bank den Betrag je zur Hälfte von der Bundesbank und vom eigenen Konto erstattet. Damit war für ihn der Fall erledigt. Doch das ist er nicht, auch wenn seine Vorstandskollegen sich nicht zu einem klaren Schnitt durchringen konnten. Ein Rausschmiss, so heißt es in der Erklärung des Bundesbank-Vorstands, sei nämlich nur im Falle einer schweren Verfehlung möglich; die aber sei nicht zu erkennen. Also wurde Welteke nahe gelegt, erst einmal sein Amt ruhen zu lassen. Welteke hat dem sofort entsprochen. Die Bundesbank bleibt voll aktionsfähig, Vizepräsident Jürgen Stark leitet den Vorstand und vertritt Deutschland im Rat der Europäischen Zentralbank.

Die Bundesbank lässt der Staatsanwaltschaft den Vortritt. Dafür gibt es formal betrachtet einen guten Grund. Schließlich kann die ja im Laufe des eingeleiteten Ermittlungsverfahrens zu dem Ergebnis kommen, an den Vorwürfen gegen den Bundesbankpräsidenten sei bei rein juristischer Betrachtung nichts dran. Hinzu kommt, dass der Vorstand der Bundesbank traditionell gern seine Unabhängigkeit demonstriert. Er ist nur dem Bundesbankgesetz verpflichtet. Oft schon haben die Währungshüter den Rat der Politik in den Wind geschlagen. So auch jetzt. Denn Bundesfinanzminister Hans Eichel ist an einer schnellen Lösung gelegen. Er hat dem Vorstand der Bundesbank nachdrücklich nahe gelegt, Welteke zum Amtsverzicht zu drängen. Erstklassig qualifizierte Kandidaten für die Nachfolge sind vorhanden, so zum Beispiel Finanzstaatssekretär Caio Koch-Weser. Doch drängen lässt der Bundesbank-Vorstand sich nicht.

Nur Welteke selbst hätte mit einem Rücktritt einen klaren Schnitt machen können. Dazu ist er nach wie vor nicht bereit, da er sich für unschuldig und die Affäre für bereinigt hält. Ob er die Angelegenheit tatsächlich aussitzen kann, das wird sich in den kommenden Wochen und Monaten erweisen. Es wäre für die öffentliche Moral im Staate fatal, wenn er sich im Amte halten könnte. Denn dann wäre wieder einmal klar, dass "die da oben" den einfachen Leuten den Gürtel enger schnallen und selbst die Champagnerkorken knallen lassen. Welteke hat nicht begriffen, dass er sich - ganz unabhängig vom Ergebnis der staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen - selbst für eines der höchsten Ämter im Staat disqualifiziert hat. Leider haben es auch die übrigen Vorstandsmitglieder an der nötigen Sensibilität im Umgang mit der Affäre mangeln lassen. Die Hängepartie schadet dem Amt; die Person Welteke hat sich selbst beschädigt.