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Das Dollar-Rätsel

Rolf Wenkel4. Februar 2009

Aus der amerikanischen Wirtschaft kommen immer neue Hiobsbotschaften. Trotzdem steigt der Dollar. Nicht mehr lange, meint Rolf Wenkel.

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Bild: DW
Rolf Wenkel

Das waren noch Zeiten: Wer im Juni vergangenen Jahres seinen Urlaub in den USA verbrachte, bekam für einen Euro 1,60 Dollar. Entsprechend moderat fiel die Kreditkartenrechnung aus, und in den Outlets hörte man fast nur deutsch oder französisch sprechende Kunden. Nun steht der Euro bei 1,27 Dollar. Und das Schlimme ist: Vermutlich wird der Euro gegenüber dem Dollar weiter verlieren. Obwohl die USA das Mutterland der Krise sind und sich dort der wirtschaftliche Abschwung mit ungebremster Wucht vollzieht.

Wie kommt das? Die USA sind ungefähr so hoch verschuldet wie alle Entwicklungsländer zusammen, gelten aber immer noch als die Schuldner mit der besten Bonität, wofür Ratingagenturen das Prädikat AAA (Triple A) vergeben. Anders in Europa. Dort gilt zwar Deutschland ebenfalls als bester Schuldner, doch weil es sich mit anderen Staaten den Euro teilt, wird es in Sippenhaft genommen. Länder wie Italien oder Griechenland haben es nämlich immer schwerer, sich auf dem Kapitalmarkt Geld zu besorgen, sie gelten als unsichere Kandidaten und nicht unbedingt als die besten Schuldner.

Sippenhaft

Früher, als es noch keinen Euro gab, war das kaum ein Problem. In den Staaten Europas, in denen die Rezession besonders heftig zuschlug, gab es immer noch das probate Mittel der Abwertung der eigenen Währung. Das half der heimischen Exportindustrie, ihre Produkte auf dem Weltmarkt billiger zu verkaufen, lockte ausländische Investoren ins Land und erzog die Importeure, sparsamer mit ihren Einkäufen auf dem Weltmarkt zu sein - so lange, bis sich die einheimische Wirtschaft der neuen Lage angepasst hatte.

Doch diesen Abwertungsmechanismus gibt es für die einzelnen Länder des Euroclubs seit zehn Jahren nicht mehr. Nun werden alle in Sippenhaft genommen, die den Euro als Währung haben - ob es sich um unsichere Kandidaten wie Griechenland und Italien oder um bestens bewertete Schuldner wie Deutschland handelt: Der Euro wird so oder so büßen, er wird vermutlich weiter abwerten gegenüber den Greenbacks.

Paradox

Eigentlich eine völlig paradoxe Situation. Denn den Nachrichten ist ja fast stündlich zu entnehmen, wie brutal die Wirtschaftskrise auf die USA einschlägt, wie rasant die Zahl der Arbeitslosen dort steigt und wie schnell der private Konsum, früher ein Garant für die schnelle Erholung, dort wegbricht, weil die Menschen um ihren Arbeitsplatz und ihre Existenz fürchten. Das müsste eigentlich zum Misstrauen in den Dollar und zu seiner Abwertung führen.

Denn im Grunde müsste allen Investoren, die Ihr Geld amerikanischen Schuldnern anvertrauen, längst klar sein, dass sie ihr Geld schon lange keinem Triple A-Schuldner mehr anvertrauen. Die fehlenden sozialen Sicherungssysteme in den USA bewirken, dass die Rezession dort besonders hart und ungebremst zuschlägt. 2,6 Millionen Jobs sind in den USA in den vergangenen zwölf Monaten verschwunden, doppelt so viele wie nach dem 11. September 2001. In den USA schlägt die Katastrophe zu wie in keinem anderen Staat der Welt.

Amerikanische Politiker haben früher gerne auf das alte, rückständige Europa von oben herabgeschaut. Bald wird sich zeigen, dass das alte, rückständige Europa mit seinen sozialen Puffern die Krise viel besser überstehen wird als ein Land, das seit Jahrzehnten nur auf Pump und damit auf Kosten anderer lebt. Wenn sich diese Erkenntnis langsam durchsetzt, wird man auch bald wieder preiswert in die USA reisen können.