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Russlands Staatsfeind Nr. 1

Marco Müller5. Januar 2014

Das ist er - der Mann, den russische Sicherheitsbehörden am meisten fürchten: Doku Umarow. Er hat dazu aufgerufen, die Olympischen Spiele in Sotschi mit allen Mitteln zu verhindern. Wer ist der Mann und was hat er vor?

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Doku Umarow richtet sich mit einer Videobotschaft an seine Anhänger (Foto: dpa)
Bild: picture-alliance/dpa

Die Olympischen Winterspiele im russischen Sotschi rücken näher - und mit ihnen auch die Angst vor Terroranschlägen. Seit den beiden jüngsten Anschlägen in der Stadt Wolgograd mit 34 Toten ist die Angst in Russland wieder größer geworden. Und mit der Angst wachsen auch die Zweifel an der Sicherheit der Spiele - zumal Doku Umarow, Russlands Staatsfeind Nr. 1, bereits im Juli 2013 in einer Videobotschaft dazu aufgerufen hatte, die Olympischen Spiele 2014 "mit allen Mitteln, die Allah erlaubt", zu verhindern. "Und nach seiner Auffassung sind eben auch terroristische Mittel von Allah erlaubt", sagt Uwe Halbach, der für die Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP) die politische Entwicklung im Kaukasus beobachtet.

Den Aufruf nehmen die russischen Sicherheitsbehörden sehr ernst, denn der Einfluss des tschetschenischen Terroristenführers Doku Umarow ist groß und sein Wort hat Gewicht. "Wenn Umarow eine Losung ausgibt - wie vor eineinhalb Jahren, keine zivilen Ziele mehr anzugreifen - dann folgen die meisten Terrorzellen dieser Vorgabe", erklärt der Politikwissenschaftler Professor Gerhard Mangott von der Universität Innsbruck im Gespräch mit der Deutschen Welle. "Wenn er nun vor einigen Monaten gesagt hat, angesichts der Olympischen Spiele auf den Gebeinen unserer Vorfahren - so seine Wortwahl - seien wieder zivile Ziele ins Visier zu nehmen, dann ist das auch etwas an das sich alle Terrorzellen halten." Die Gefahr durch Anschläge ist also real - zumal Umarow bereits für einige spektakuläre Attentate verantwortlich zeichnete.

Sicherheitskräfte kontrollieren einen Gastarbeiter in Sotschi (Foto: DW/M. Bushuev)
Ausweiskontrollen bei Gastarbeitern in SotschiBild: DW/M. Bushuev

Verantwortung für Terroranschläge

"Russlands bin Laden", wie er häufig genannt wird, hat vor allem mit Anschlägen in den Jahren 2009 bis 2011 auf sich aufmerksam gemacht - unter anderem auf die Moskauer U-Bahn im März 2010 und den Moskauer Flughafen Domodedowo im Januar 2011 mit jeweils rund 40 Toten.

Im Februar 2012 hatte Umarow ein Ende der Anschläge angeordnet, was er im Juli 2013 öffentlich als Fehler bezeichnete, denn der Kreml habe dies "als Schwäche und nicht als Zeichen guten Willens" wahrgenommen.

Ob der Terroristenführer für die jüngsten Anschläge in Wolgograd verantwortlich ist, ist derzeit unklar. Ein offizielles Bekennerschreiben gibt es nicht. "Auch auf den Webseiten des kaukasischen islamistischen Widerstandes ist bislang kein Bekenntnis zu finden", erklärt Politikwissenschaftler Mangott. "Von der Art der Terroranschläge und von den verwendeten Sprengstoffen kann man allerdings mit großer Sicherheit annehmen, dass es sich um das Werk von Islamisten handelt, die durch Umarow inspiriert wurden." Ob die Anschläge aber auf direktem Befehl von ihm durchgeführt wurden, lässt sich derzeit nicht klären.

Durch einen Bombenanschlag zerstörter Bus in Wolgograd (Foto: Reuters)
Selbstmordanschlag auf einen Bus in Wolgograd am 30. Dezember 2013 mit 14 TotenBild: Reuters

Sein Ziel

Doku Umarow schreckt vor keinen Gewalttaten zurück, um sein Ziel zu erreichen - einen unabhängigen islamischen Staat im Kaukasus. Dazu will er Russland mit allen Mitteln aus dem Kaukasus verdrängen. Bereits im Oktober 2007 hat er sich zum "Emir des kaukasischen Emirats" ernannt. Seitdem gilt er als ideologischer und militärischer Führer des islamistischen Widerstands. "Er ist eine Symbolfigur die von allen auch dezentral operierenden Zellen im Nordkaukasus anerkannt wird", so Mangott.

Dabei beruft sich Umarow auf eine lange Tradition. "Er knüpft an Vorbilder eines islamisch geleiteten antikolonialen Widerstandes im 19. Jahrhundert an", erklärt Halbach von der SWP. "Das war damals der langwierigste Widerstand gegen russische Kolonialherrschaft. Insofern ist das schon ein sehr prominentes historisches Vorbild gewesen, dieser islamische Widerstand der Bergvölker des Nordkaukasus. Und daran knüpft Umarow heute an."

Wie er wurde was er ist

Über die Kindheit von Russlands Staatsfeind Nr. 1 ist wenig bekannt. Doku Umarow wurde am 13. April 1964 in dem südtschetschenischen Dorf Charsenoj geboren. Er soll aus einer intellektuellen Familie stammen. Er studierte an der Baufakultät am staatlichen Ölinstitut in Grosny.

Umarow soll sich einst einem entfernten Verwandten angeschlossen haben, der zu den Warlords gehörte. Er wurde militärisch ausgebildet und hat im ersten Tschetschenienkrieg gegen Russland gekämpft. 2006 hat er die Führung des Tschetschenischen Widerstands übernommen. "Damals war er noch im Wesentlichen ein tschetschenischer Nationalist, für ihn war das Ziel, Tschetschenien in die staatliche Unabhängigkeit zu führen", erklärt Politikwissenschaftler Mangott. Dann, so Mangott, habe es innerhalb von rund eineinhalb Jahren eine radikale Kehrtwende gegeben "zum islamistischen Kämpfer, dem es nicht mehr um Tschetschenien geht, sondern darum, den gesamten muslimischen Nordkaukasus aus Russland herauszupressen und in ein neues Emirat, das kaukasische Emirat, überzuführen."

Porträt von Gerhard Mangott, Professor für Politikwissenschaften an der Universität Innsbruck (Foto: Celia di Pauli)
Professor Gerhard Mangott sieht einen radikalen Wandel bei UmarowBild: Celia di Pauli

Durch die eineinhalbjährige Waffenpause war er etwas in Vergessenheit geraten. Häufiger wurde von russischer Seite erklärt, er sei tot. Beobachter sagen, dass Umarow sich nun nach der Waffenruhe als fähiger Führer des islamistischen Widerstands beweisen müsse. Die Olympischen Spiele im russischen Sotschi kommen da gerade recht. "In diesem Zustand der internationalen Aufmerksamkeit wird von Umarow erwartet, dass er wirklich wichtige symbolische Aktionen setzen kann, die der russischen Seite auch zusetzen", ist Mangott überzeugt. Das ist der Grund, warum die russischen Sicherheitsbehörden derzeit niemanden so sehr fürchten wie Doku Umarow, den selbsternannten "Emir des kaukasischen Emirats".