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Russlands Aktienmarkt in Rekordlaune

Martin Schrader19. März 2004

Der hohe Ölpreis und Wladimir Putins Wiederwahl haben Russlands Aktien seit Jahresbeginn 2004 von einem Rekord zum nächsten verholfen. Doch was passiert, wenn der Ölpreis sinkt und Putin einmal den Kreml verlässt?

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Moskaus Aktienhändler kennen nur eine Kursrichtung: aufwärtsBild: AP

Menschenrechtler, Wahlbeobachter und viele Journalisten rümpften angesichts der überwältigenden Wiederwahl von Wladimir Putin zum russischen Präsidenten die Nase. Ein Wahlergebnis von mehr als 70 Prozent Zustimmung erinnerte sie an kommunistische Zeiten. Das verdanke Putin seinem zaristischen Politikstil und der Unterdrückung politisch Andersdenkender, hieß es.

Börse in Moskau
Börse in MoskauBild: AP

Geschäftsleuten und Aktionären in Russland ist dies offenbar egal. Denn sie machen unter dem alten und neuen Präsidenten so gute Geschäfte wie nie zuvor. "Ob man die Politik Putins nun gutheißt oder nicht", sagt Andreas Seubert von der Bankgesellschaft Berlin, "es ist unter ihm eine politische und wirtschaftliche Stabilität feststellbar, die es vorher nicht gab." Seubert ist bei der Bankgesellschaft zuständig für Kreditvergabe an russische Aktiengesellschaften. Er kennt darum ihre oftmals erfreulichen Geschäftsentwicklungen in den vergangenen Jahren.

Beispielloses Wachstum

Das russische Wirtschaftswachstum betrug gemessen am Bruttoinlandsprodukt (der Wert aller Güter und Dienstleistungen) in vier Jahren Putin-Regierung 30 Prozent. Allein 2003 legte das BIP um 7,3 Prozent zu. Und die Investmentbank Merrill Lynch erwartet für 2004 ein weiteres Wachstum um mehr als sechs Prozent.

Diese beispiellose Kraftentwicklung der Wirtschaft und ihrer Unternehmen spiegelt auch der Aktienindex RTS der Börse in Moskau. Das mit dem DAX vergleichbare Kursbarometer stieg seit dem Ende der russischen Finanzkrise im Jahr 1998 von 38 Punkten auf ein neues Hoch von 698 Zählern (16.3.2004). Allein in der Amtszeit Putins, die im August 1999 begann, versiebenfachte sich der Wert dieses Index'.

Glückliche Aktionäre

Glücklich schätzen sich darum jene, die in den vergangenen Jahren Aktien der großen russischen Unternehmen kauften. Dazu zählen zum Beispiel der weltweit größte Gasproduzent Gasprom, der größte russische Ölkonzern Yukos und sein Konkurrent Lukoil. Der Wert der Gasprom-Aktien stieg seit Jahresbeginn 2004 um etwa die Hälfte; im Vergleich zum Vorjahr vervierfachte er sich sogar. Lukoil rückte binnen Jahresfrist um mehr als 70 Prozent vor und Yukos verbesserte sich um etwa zehn Prozent.

Für die Höhenflüge an Moskaus Börse ist freilich nicht allein der starke Mann im Kreml verantwortlich. Andreas Seubert verweist auf die Dominanz der Energie-Aktien im RTS-Index. Diese zögen wegen des hohen Öl-Preises den Index nach oben. "Wenn man den Ölpreis auf dem hohen Niveau von über 30 Dollar sieht", erläutert der Finanzexperte, "dann kann man sich vorstellen, dass das zu einem hohen Cash-Flow und zu hohen Erträgen in diesen Unternehmen führt. Deshalb werden auch ihre Aktien sehr gut gehandelt."

Abhängig vom schwarzen Gold

Die Kehrseite dieser Medaille gibt aus Sicht Seuberts Anlass zu Vorsicht bei Investments in Russlands Aktienmarkt: sobald der Ölpreis sinkt, sinken auch die Erträge der großen russischen Energie-Konzerne; dies wiederum könnte zu einem Einbruch ihrer Aktienkurse und einem Rückschlag für die gesamte russische Wirtschaft führen. "Vor einem Jahr war die Zeit für einen Einstieg in russische Aktien günstiger", meint Seubert, "jetzt wäre ich eher vorsichtig."

Nicht nur ein Rückgang des Ölpreises birgt nach den Worten Seuberts Gefahren für den russischen Aktienmarkt. Auch der Putin-Faktor sei in den Kursen bereits enthalten. Nun müsse abgewartet werden, welche Politik der Präsident in seiner zweiten Amtszeit macht und wie sich diese auf die Wirtschaft auswirke. Man höre zum Beispiel von Plänen Putins, die Abgaben auf Gewinne der Ölkonzerne zu erhöhen. Sollten sie umgesetzt werden, könnte dies zu Kurverlusten an der Börse führen. Investoren die langfristig rechnen, sollten sich laut Seubert auch die Frage stellen, was nach Putin komme und ob sein Abgang das politische System des Landes schwächen könnte. All das ist völlig offen - und Ungewissheit in der Politik ist Gift für die Börsen.

Perspektiven

Seubert möchte freilich auch nicht zu schwarz malen. Einen deutlichen Rückschlag an Moskaus Börse hält er unter der Amtszeit Putins für unwahrscheinlich. Die großen Kurssprünge der vergangenen Jahre würden sich 2004 zwar nicht wiederholen, dennoch sei eine weitere Wertsteigerung der russischen Aktiengesellschaften zu erwarten. Den RTS-Index sieht Seubert am Jahresende bei 750 bis 800 Zählern. Das wäre ein Plus von etwa zehn Prozent - kein schlechter Gewinn innerhalb eines Jahres.