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Russland und Kenia bestreiten Doping-Vorwürfe

3. August 2015

Eine deutsche TV-Dokumentation mit brisanten Doping-Vorwürfen in der Leichtathletik hat die Sportpolitik aufgeschreckt. Der Weltverband der Leichtathleten sowie Kenia und Russland weisen die Anschuldigungen zurück.

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Beutel mit Blut liegen in einem Kühlschrank (Archivfoto von 2007: dpa)
Bild: picture-alliance/dpa

Der russische Sportminister Witali Mutko bezeichnete die jüngsten Doping-Vorwürfe als Quatsch. "Es sieht so aus, als ob jemand die Laufwettbewerbe der Leichtathletik mit solchen Filmen ruinieren will", wird Mutko von der Nachrichtenagentur ITAR-TASS zitiert. Mutko machte stattdessen den derzeit laufenden Wahlkampf um die Nachfolge von Lamine Diack als Präsident des Leichtathletik-Weltverbandes IAAF als Grund für die Ausstrahlung aus. "Der Machtkampf ist in vollem Gange." Auch der russische Leichtathletik-Verband wies die Vorwürfe komplett zurück. "Das ist eine unverschämte Lüge", sagte eine Sprecherin des Verbandes einem Moskauer Radiosender.

Der kenianische Leichtathletik-Verband AK hat die in der ARD-Dokumentation erhobenen Doping- und Korruptionsvorwürfe dementiert. Der Fernsehbeitrag sei ein Versuch, "unsere Läufer mit unbewiesenen Anschuldigungen zu beschmutzen", heißt es in einer Stellungnahme. Neben Hinweisen auf weitverbreitetes Doping in Kenia hatte die ARD-Reportage "Geheimsache Doping, im Schattenreich der Leichtathletik" auch Indizien auf Korruption an der Verbandsspitze um Präsident Isaiah Kiplagat geliefert. Dazu erklärte der Verband, er habe seine Juristen angewiesen, juristische Schritte gegen den Sender und den Autor zu prüfen. Kiplagat kandidiert in wenigen Wochen als Vize-Präsident der IAAF.

Die IAAF teilte auf Anfrage der ARD mit, ohne genaue Kenntnis des Datensatzes könne man die Ergebnisse nicht kommentieren, und verwahrte sich gegen den Vorwurf, nicht genug unternommen zu haben. Zugleich wies der Verband Kritik am Ergebnismanagement der Wettbewerbe zurück.

800 Sportler mit verdächtigen Werten

Doping: Hajo Seppelt im DW-Interview

Das Kernstück der Dokumentation ist eine Datenbank von über 12.000 Blutproben von rund 5000 Leichtathleten, die von der IAAF stammt. Dies bestätigte der Weltverband und kündigte eine zeitnahe detaillierte Stellungnahme an. Reporter von ARD und "Sunday Times" haben die Liste ausgewertet. Nach Meinung zweier führender Experten gibt es bei einem Siebtel der Proben Hinweise auf Doping.

Nach Analyse der Datenbank könnte insgesamt ein Drittel aller Medaillen in Ausdauersportarten bei Weltmeisterschaften und Olympischen Spielen von 2001 bis 2012 von Sportlern mit verdächtigen Blutwerten gewonnen worden sein. Insgesamt 146 Medaillen, davon 55-mal Gold. In einigen Disziplinen gebe es sogar Verdachtsmomente gegen alle Athleten auf den ersten drei Plätzen. Ein Großteil der betroffenen Athleten ist demnach nicht belangt worden. "Nur gegen ein Drittel von ihnen läuft ein Verfahren oder sie sind bereits gesperrt. Die restlichen zwei Drittel sind nie überführt worden", teilte die ARD mit.

WADA ist alarmiert

Drei Wochen vor der Weltmeisterschaft in Peking hat der Bericht die internationale Leichtathletik erschüttert: Sie steckt nun mitten in einer Glaubwürdigkeitskrise. Die Welt-Anti-Doping-Agentur (WADA), die bereits die Anschuldigungen aus einer ARD-Dokumentation vom Dezember 2014 untersucht, zeigte sich nach den neuen Erkenntnissen alarmiert. "Die WADA ist sehr beunruhigt über die neuen Anschuldigungen. Dies wird erneut das Fundament eines jeden sauberen Athleten weltweit erschüttern", sagte Präsident Craig Reedie. "Diese Vorwürfe werden sofort an die unabhängige WADA-Kommission für weitere Untersuchungen übergeben."

"Wir haben volles Vertrauen in die WADA", sagte der Sprecher des Internationalen Olympischen Komitees, Mark Adams: "Es ist Sache der Kommission, die Details der Vorwürfe zu untersuchen." Die Veröffentlichung des Abschlussberichts der unabhängigen WADA-Kommission wird sich voraussichtlich bis zum Ende des Jahres verzögern.

Alarmierende Blutwerte

"Die Werte in der Datenbank lassen aus meiner Sicht keinen Zweifel daran zu, dass die Ausdauerdisziplinen bei Weltmeisterschaften und Olympia von Blutdoping durchsetzt waren", sagt der australische Doping-Experte Michael Ashenden in der Dokumentation. Ashenden und sein Kollege Robin Parisotto hatten unabhängig voneinander die Datenbank ausgewertet. Parisotto sagte: "Ich habe niemals so alarmierende, unnormale Blutwerte gesehen.

Bereits im Dezember 2014 hatte eine ARD-Dokumentation über systematisches Doping und Korruption im russischen Sport weltweit für Aufsehen gesorgt. Zumindest in Russland lässt aber auch die neue Reportage Zweifel aufkommen. In einer Tonband-Aufnahme soll 800-m-Olympiasiegerin Maria Sawinowa die Einnahme von Wachstumshormonen zugeben.

In Kenia zeigte die Reportage auf, dass auch dort Dopingmittel einfach zu beschaffen seien. Die inzwischen wegen Dopings gesperrte Läuferin Rito Jeptoo, Gewinnerin des Boston-Marathons, berichtete zudem offen über den mangelhaften Anti-Doping-Kampf in ihrem Heimatland. "Ich habe seit 2006 nicht einmal in Kenia einen Bluttest machen müssen", sagte die 34-Jährige.

kle/se (sid, dpa, rtre, ape)