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Bulgarien auf Alleingang

29. April 2009

Mitte Mai wollen Gazprom und die bulgarische Energie-Holding ein Abkommen über South Stream unterzeichnen. Es geht um mehr als bilaterale Beziehungen, denn die Pipeline gilt als Gegenprojekt zum Nabucco-Plan der EU.

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South Stream Erdgas-PipelineBild: San Jose / Patrol110

Bulgariens Ministerpräsident Sergei Stanischev hat in Moskau mit seinem russischen Kollegen Wladimir Putin und Präsident Dmitrij Medwedjew die Eckpunkte des Gas-Projekts South Stream ausgehandelt. South Stream wird allgemein als Russlands Gegenprojekt zum europäischen Nabucco-Plan betrachtet. Zum einen, weil über South Stream russisches Gas für einzelne EU-Länder, und zwar unter Umgehung der Ukraine und Rumänien, geliefert werden soll. Darüber hinaus ist South Stream als eine internationale Pipeline des russischen Energiekonzerns Gazprom konzipiert, während die von der EU unterstützte Nabucco-Route ausdrücklich allen Produzenten die Möglichkeit bietet, Infrastruktur anzumieten und Gas zu liefern.

Ilian Vassilev, ehemaliger bulgarischer Botschafter in Moskau, der schon jahrelang bei den Verhandlungen dabei ist, erinnert daran, dass Moskau und Gazprom ursprünglich das Projekt Blue Stream II über die Türkei auf die Beine stellen wollten: "Im letzten Augenblick aber wurde festgestellt, dass die Türkei nicht bereit war, ihr Engagement bei Nabucco gegen eine Beteiligung an Blue Stream II aufzugeben. Also hat man sich für South Stream und eine direkte Route über Bulgarien entschieden.

Geplant ist jetzt eine Pipeline unter dem Schwarzen Meer über Bulgarien und Griechenland nach Süditalien und über Bulgarien, Serbien und Ungarn nach Österreich. South Stream wird nicht nur von der EU abgelehnt. Auch die Türkei, die von Nabucco profitieren würde, hat große Bedenken gegen das russische Projekt.

Zwei Optionen für Bulgarien

In diesem Gas-Krimi hat Bulgarien nicht ganz unverschuldet eine zentrale Rolle übernommen. Als EU-Mitglied hätte das Land eigentlich sich eher für Nabucco entscheiden sollen, zumal auch die Nabucco-Pipelines über Bulgarien laufen werden. Sofia aber hielt sich bis zuletzt beide Optionen offen, bis der bulgarische Premier Sergei Stanischev am 28. April das South-Stream-Abkommen in Moskau endgültig aushandelte. Die Unterzeichnung ist nun für Mitte Mai geplant.

Vorangegangen war ein internationaler Gas-Gipfel in Sofia mit der Beteiligung von 28 Regierungen. Russlands Ministerpräsident Wladimir Putin blieb in letzter Minute demonstrativ zu Hause. Damit gab er zu verstehen, dass er an Nabucco kein Interesse habe und von Sofia eine schnelle Entscheidung zu Gunsten von South Stream erwarte. Auch der russische Präsident Medwedjew ließ den bulgarischen Premier zunächst vergeblich auf sich warten. Er traf sich erst einen Tag später als ursprünglich verabredet mit ihm, nachdem klar war, dass sich Sofia entschieden für South Stream entschieden hatte.

Komplizierte Energie-Beziehungen

Die bulgarische Regierung versucht nun, mit unterschiedlichen Argumenten das Projekt in der Öffentlichkeit besser zu verkaufen. South Stream sei ein Teil der komplizierten bilateralen Energie-Beziehungen, die neulich mehrfach unter den russisch-ukrainischen Spannungen gelitten haben, heißt es in Sofia. Das Bestreben von Gazprom, die Pipelines auf bulgarischem Boden teilweise zu erwerben, sei abgelehnt worden, erklären Regierungsvertreter. Den Hintergrund zu diesem bizarren Problem erklärt Ilian Vassilev: "Die Kosten des Projekts sind bislang unbekannt, es wird allerdings vermutet, dass sie sich auf etwa 24 Milliarden Euro belaufen. Also hat Gazprom versucht, die Kosten zu drücken und anstatt eine neue Pipeline zu bauen, die schon vorhandenen bulgarischen Pipelines zu benutzen."

Der bulgarische Ministerpräsident kehrte mit noch einer bitter-süßen Zusage nach Sofia zurück. Wladimir Putin hat seinem Kollegen auch eine finanzielle Unterstützung (die Rede ist von mehreren Milliarden Euro) für den Bau des zweiten bulgarischen Atomkraftwerks im Belene an der Donau versprochen – ein Projekt mit der geplanten Beteiligung von RWE, das sowohl in Bulgarien, als auch in Deutschland höchst umstritten ist.

Autor: Alexander Andreev
Redaktion: Bernd Johann