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Politik

Russland: Tödliche Recherchen

Daniela Natalie Posdnjakova mo
21. April 2017

Er war bekannt für seine kritischen Berichte, dann wurde er auf der Straße verprügelt. Nun ist Nikolai Andruschtschenko seinen Verletzungen erlegen. Die DW hat mit dem Chefredakteur seiner Zeitung gesprochen.

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Nikolai Andruschtschenko
Nach der Prügelattacke starb er: Der Journalist Nikolai AndruschtschenkoBild: picture alliance/AP Photo/D. Usov

"Wenn er über Korruption oder Verbrechen berichtete, dann beschrieb er auch immer sehr genau, wer, wo, wie daran beteiligt war. Daher hatte er natürlich viele Feinde in den Sicherheitsbehörden", sagt der Chefredakteur der Zeitung "Nowy Peterburg" (Neues Petersburg) Denis Usow über Nikolai Andruschtschenko. Am 9. März war der 73-jährige Journalist auf dem Weg zu einem Termin von Unbekannten überfallen und zusammengeschlagen worden. Seine Kopfverletzungen waren so schwer, dass er über Wochen im künstlichen Koma lag - und aus diesem nicht mehr erwachte.

Über viele Jahre befasste sich Andruschtschenko bei der Zeitung "Nowy Peterburg" mit Korruptionsfällen. Chefredakteur Usow glaubt, dass Andruschtschenkos Tod in Zusammenhang mit seinen Veröffentlichung steht. Der Journalist war bekannt für seine kritischen Berichte, immer wieder hatten sich Informanten aus Behörden und anderen Bereichen mit brisanten Informationen an ihn gewendet. 

Gefängnishaft mit Folgen

Aufgrund seiner investigativen Berichterstattung war Andruschtschenko aber auch zahlreichen Schikanen ausgesetzt, darunter auch strafrechtlicher Art. Im Jahr 2007 wurde ein Verfahren gegen ihn eingeleitet, erinnert sich Usow. "Das Verfahren umfasste eine Vielzahl von Strafanzeigen: Eingriff in die Tätigkeit der Staatsanwaltschaft und Justiz, Anstiftung zu sozialem Hass und Verleumdung. Es war ein ganzer Strauß typischer Vorwürfe gegen Zeitungen, die sich mit investigativem Journalismus befassen", so der Chefredakteur.

Andruschtschenko verbrachte etwa ein Jahr im Gefängnis, was schwere Folgen für seine Gesundheit hatte. "Er wurde dort heftig geschlagen und er verlor seine Sehkraft. Er brauchte viele Jahre, um sich davon zu erholen. Dann begann er wieder Artikel zu schreiben - in dem Maße, wie es ihm seine Kräfte erlaubten", sagt Usow.

Stacheldraht vor grauen Himmel
Etwa ein Jahr saß Andruschtschenko im Gefängnis, wurde dann aber freigesprochenBild: picture alliance/Romain Fellens

Brisantes Material?

Seine jüngsten Recherchen führten offenbar zu dem letzten Angriff auf den Journalisten, diesmal ganz in der Nähe seines Hauses. Die genauen Umstände der Tat sind noch unklar. "Man verlangte von ihm, er solle Material zu einem Thema herausrücken, mit dem er sich gerade befasste. Er hatte uns selbst davon erzählt, als er zu uns in die Redaktion kam. Ein bis zwei Wochen später wurde er schwer verletzt auf der Straße aufgefunden", berichtet ein Kollege Andruschtschenkos.

Ein Thema, mit dem sich Andruschtschenko zuletzt beschäftigt hatte, war ein Konflikt zwischen zwei Strafverfolgungsbehörden in Sankt Petersburg. "Andruschtschenko recherchierte geheim. Kaum jemand in der Redaktion wusste, mit was er sich befasste. Man erfuhr es erst, wenn seine Artikel veröffentlicht wurden. Daher kann man nicht sagen, dass Konkretes zum Inhalt seiner letzten Recherchen bekannt war", betont Usow.

Ein Dorn im Auge

Die Zeitung "Nowy Peterburg" positioniert sich als ein Organ, das die Menschenrechte verteidigt. Die Journalisten der Zeitung sind immer wieder dem Druck von Behörden und Schikanen ausgesetzt. So gut wie gegen alle Mitarbeiter seien schon Strafverfahren eingeleitet worden, beklagt der Chefredakteur. "Unsere Zeitung wurde vor einigen Jahren geschlossen. Zwei Jahre lang mussten wir unter einem anderen Namen erscheinen. Auch unsere Computer wurden schon beschlagnahmt. Wir mussten in einem Belagerungszustand die Zeitung herausgeben. Wir haben als einzige Zeitung der Stadt eine reale Auflage von 6000 Exemplaren, die ohne Probleme ihre Abnehmer finden. Alle anderen Zeitungen werden stark subventioniert und werden dementsprechend von den Behörden gesteuert", so Usow.