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Spionagefall: "Volksrepublik Donezk" eine Terrorvereinigung?

Mikhail Bushuev
23. April 2024

Die deutsche Bundesanwaltschaft wirft zwei Männern mit doppelter russischer und deutscher Staatsbürgerschaft vor, an der "Terrorvereinigung Volksrepublik Donezk" beteiligt zu sein. Was bedeutet das aus rechtlicher Sicht?

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Ein Mann hält Papiere der sogenannten "Volksrepublik Donezk" mit deren Fahne und Wappen in der Hand
Papiere der selbsternannten "Volksrepublik Donezk"Bild: Mikhail Tereshchenko/TASS/dpa/picture alliance

Im Zuge eines Spionagevorfalls , der im Zusammenhang mit Russland steht, hat die Polizei der Stadt Bayreuth in Bayern zwei Männer festgenommen. Dieter S. und sein Helfer Alexander J. stehen im Verdacht, im Auftrag der russischen Geheimdienste Sabotageakte in Deutschland vorbereitet zu haben. Den deutschen Staatsbürgern russischer Herkunft wird auch vorgeworfen, Spionage gegen Militärstützpunkte der USA betrieben und Attacken auf militärisch genutzte Transportwege geplant zu haben.

Dieter S. sei "Mitglied der ausländischen Terrorvereinigung 'Volksrepublik Donezk'" gewesen, meldet die deutsche Generalbundesanwaltschaft. Damit stuft sie die selbsternannte Volksrepublik faktisch als terroristische Organisation ein: Es handele sich um eine "pro-russische Vereinigung, die ab Frühjahr 2014 die Kontrolle über den ukrainischen Verwaltungsbezirk Donezk mit dem Ziel der Loslösung von der Ukraine beanspruchte und sich intensive Auseinandersetzungen mit den ukrainischen Streitkräften lieferte". Auch habe die Vereinigung immer wieder Gewalt gegen die Zivilbevölkerung eingesetzt.

Das Gebäude der Generalbundesanwaltschaft in Karlsruhe mit Fahnen davor
Das Gebäude der Generalbundesanwaltschaft in KarlsruheBild: imago images

Nach derzeitigem Ermittlungsstand hatte Dieter S. seit Oktober 2023 Kontakt zu einer Person, die an einen russischen Geheimdienst angebunden ist. Als Mitglied einer ausländischen terroristischen Vereinigung soll er zudem eine schwere staatsgefährdende Gewalttat vorbereitet haben. Die Generalbundesanwaltschaft fügt hinzu: "Nach dem zugrunde liegenden Sachverhalt besteht der dringende Verdacht, dass Dieter S. zwischen Dezember 2014 und September 2016 in der Ostukraine als Kämpfer einer bewaffneten Einheit der 'Volksrepublik Donezk' tätig war und in diesem Zusammenhang über eine Schusswaffe verfügte."

Im Zuge der prowestlichen oppositionellen Proteste und des Machtwechsels in Kiew im Frühjahr 2014 wurden im Osten der Ukraine die sogenannten "Volksrepubliken Donezk und Luhansk" ausgerufen. Im Februar 2022, nur drei Tage vor Russlands großangelegtem Überfall auf die Ukraine, erkannte Staatschef Wladimir Putin die beiden Separatisten-Gebiete schließlich als unabhängig an. Im September desselben Jahres annektierte Russland die ukrainischen Gebiete Donezk und Luhansk.

Wie man auf die Liste ausländischer Terrororganisationen kommt

"Wir sind davon überzeugt, dass es ständig russische Spionageaktivitäten gegen deutsche Interessen gibt", sagte der Präsident des Bundesamts für Verfassungsschutz Thomas Haldenwang im DW-Interview. "Deutschland ist ein wichtiger Player in vielen Politikbereichen, wenn es um die Unterstützung der Ukraine geht." 

Bislang hatten die deutschen Behörden die "Volksrepublik Donezk" nicht als terroristische Vereinigung eingestuft, was also hat sich geändert? In Deutschland gebe es zwei Möglichkeiten, eine bestimmte Struktur auf die Terroristenliste zu setzen: auf behördlichem und auf strafrechtlichem Wege, erläutert der Jurist Dr. Matthias Hartwig von der Heidelberger Universität im Gespräch mit der DW. Er führt das Beispiel der radikal-islamistischen Bewegung Hamas an, die auf der Ebene der Europäischen Union als Terrororganisation eingestuft ist, aber auch durch Gerichtsurteile als solche eingeordnet wird.

Das bedeute noch nicht, so Hartwig, dass die "Volksrepublik Donezk" jetzt auch vom deutschen Staat als terroristisch angesehen werde. Aber aus Sicht der Generalbundesanwaltschaft sei sie es. Es bleibe jedoch unklar, ob damit die gesamte von den separatistischen und russischen Behörden geschaffene quasi-staatliche Struktur gemeint sei - oder nur ihr paramilitärischer Teil. Hartwig vermutet, die Bundesanwaltschaft betrachte alle Strukturen dort als illegal. Und das aus guten Gründen, weil die ukrainische Seite zum Schluss gekommen sei, dass diese Strukturen "Mord und Tod betreiben". Es sei nun Sache der Gerichte zu entscheiden, ob diese Strukturen als terroristisch anzusehen seien, so der Jurist.

Frontlinie in Awdijiwka im November 2019: Ein ukrainischer Soldat sichert die Frontlinie an der zerstörten Kohlenmine Butowka
Schon lange vor dem russischen Überfall auf die Ukraine wurde in der Donezk-Region gekämpft (Archivbild von 2019)Bild: Vitali Komar/AP Photo/picture alliance

Auch die ARD bewertet den Schritt der Generalbundesanwaltschaft als ein "Novum". "Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) hat eine entsprechende Verfolgungsermächtigung erteilt. Ein Schritt mit hoher Symbolkraft, der diplomatische Folgen haben dürfte", schreiben die ARD-Terrorismusexperten Michael Götschenberg und Holger Schmidt zur Inhaftierung von Dieter S. und Alexander J.

Als einzige diplomatische Folge bislang ist der russische Botschafter ins Auswärtige Amt einbestellt worden. Doch Völkerrechtler Hartwig schließt nicht aus, dass der Spionageskandal die Spannungen zwischen Deutschland und Russland weiter verschärfen könnte: "Deutschland ist völkerrechtlich nicht gebunden und ist frei zu sagen: das ist ein annektiertes Gebiet und die Strukturen, die dort Macht ausüben, stufen wir als terroristisch ein. Deutschland verletzt dadurch nicht das internationale Recht."

Adaption aus dem Russischen: Markian Ostaptschuk