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Der Gashahn der EU

13. Juli 2009

Überall Öl und Erdgas, ein Meer an nicht enden wollenden Rohstoffen – ein Schlaraffenland, von dem die EU nur träumen kann. Europas Erdgas-Ressourcen sind gering, die Abhängigkeit vom größten Lieferanten ist riesig.

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Vor dem Gazprom-Sitz weht eine russische und eine Gazprom-Flagge (Foto: RIA Novosti)
Zentrale der Macht: Der Gazprom-Sitz in MoskauBild: RIA Novosti
Arbeiter dreht an einem Rad, im Vordergrund ist eine Druckanzeige zu sehen(Foto: AP)
Zugedreht: Es ist nur ein Handgriff, der Europa frieren lassen kannBild: AP

Es ist ein beruhigendes Rauschen – Milliarden Kubikmeter Gas werden jährlich durch Pipelines nach Europa gepumpt. Die größten Lieferanten sind Russland, Algerien und Norwegen. Sie liefern der EU rund 90 Prozent des Bedarfs. Während Algerien für Italien, Spanien und Frankreich der wichtigste Gaslieferant ist, hängen die ost- und mitteleuropäischern Staaten am Gashahn der Russen.

Russland ist die Gas-Weltmacht. Dort lagert ein Viertel des weltweiten Erdgasvorkommens. Die EU bezieht circa 40 Prozent ihres Erdgases aus Russland. Ungarn, Rumänien, Bulgarien und die Slowakei sind vollständig auf russisches Gas angewiesen, Österreich und Tschechien zu 75 Prozent. Deutschland erhält 40 Prozent seines Gases aus Russland und liegt damit im EU-Durchschnitt. Die Abhängigkeit ist nicht zu unterschätzen. Spielt Moskau mit den Muskeln und dreht den Gashahn so wie in den Jahren 2006 und 2009 zu, bleiben in Europa viele Heizungen und Kochtöpfe kalt.

Der Verbrauch wird sich verdoppeln

Längst ist Gas zu einem hoch politischen Thema geworden. Waleri Panjuschkin, ein russischer Journalist, hat ein Buch über die Machenschaften des Gasriesen Gazprom geschrieben. Der Titel: "Das Geschäft mit der Macht". Panjuschkin ist überzeugt: "Mit dem Gaspreis ist es möglich, politische Partner zu manipulieren."

Abbildung eines Buchtitels: Putin lehnt an einer Pipeline und dreht an einem roten Rad (Foto: AP)
Ein Buch über die Machenschaften GazpromsBild: AP

In Zukunft dürfte sich die Situation auf dem Erdgas-Weltmarkt noch zuspitzen: Die Eigenproduktion der 27 EU-Staaten wird sich bis 2020 halbieren, der Verbrauch bis 2030 verdoppeln, schätzt die Internationale Energiebehörde (IEA). Vor diesem Hintergrund beschlossen die EU-Mitglieder auf einem Gipfel im März 2007, fortan in Energiefragen mit einer Stimme zu sprechen, um größeres Gewicht in Verhandlungen zu erlangen. Als Gaslieferanten der Zukunft, die die Abhängigkeit von Russland reduzieren sollen, gelten der Mittlere Osten, Zentralasien und Nordafrika.

Europa klopft, Gazprom tritt ein

Das Problem: Überall wo Europa anklopft, hat Gazprom schon den Fuß in der Tür. So reiste der damalige russische Präsident Wladimir Putin 2006 nach Algerien: Russland erließ Algerien Schulden in Höhe von 4,7 Milliarden Dollar, stellte umfangreiche Waffenlieferungen in Aussicht und schon war der Deal perfekt. Sein Name: Allianz zur "geologischen Erkundung, Förderung und Transport von Erdgas."

Erdgasanlage in Algerien (Foto: AP)
Erdgasanlage in Algerien: Neben den Staaten Südeuropas buhlt auch hier Russland um GasBild: AP

Oder das Beispiel Nigeria: Die Afrikaner planen den Bau einer Pipeline nach Europa. Die Russen sollen kurzerhand versprochen haben, jede finanzielle Beteiligung anderer Staaten zu überbieten. Ähnlich sieht es auch in Libyen, Aserbaidschan, Kasachstan oder Turkmenistan aus. Gazprom versucht stets die Europäer auszustechen.

Es geht um die Kontrolle der Lieferwege, um Macht und um jede Menge Geld. Russland will die Gasabhängigkeit der Europäer vergrößern, glaubt auch Fjodor Lukianow, Chefredakteur der Zeitung "Russland in der Weltpolitik": "Die Strategie lautet: Raffe zusammen, was du kannst, solange Geld und politischer Wille da sind. Wenn man sich jetzt den Zugang zu strategisch wichtigen Positionen verschafft, ist es später einfacher."

Geht Russland das Gas aus?

Landschaft in Sibirien (picture-alliance)
Wie hier in Sibirien ruht in Russland noch jede Menge ErdgasBild: picture-alliance/ dpa

Anstatt Milliarden in die Erschließung der weltweit größten Erdgasfelder im eigenen Land zu investieren, kauft Gazprom aggressiv auf dem Weltmarkt ein. Dabei lagern allein auf der westsibirischen Halbinsel Jamal im Nordpolarmeer über 30 Billionen Kubikmeter Gas – genug, um die ganze Welt zehn Jahre lang zu versorgen. Die Russen investieren aber nur mäßig in die notwendige Fördertechnik, das Gasfeld bleibt unberührt. Ändert sich das nicht, geht auch Russland bald das Gas aus.

Das Moskauer Institut für Globalisierungsfragen berichtet: Gazprom sei schon seit 2003 auf Gas aus Turkmenistan und Usbekistan angewiesen, um seine Lieferverträge zu erfüllen. Auch die IEA warnt immer wieder vor Lieferschwierigkeiten Russlands, da der Gasbedarf weltweit ansteigt. Zum einen, weil Öl als Energieträger ersetzt werden muss, und zum anderen, weil aus Gas umweltfreundlicher Strom gewonnen werden kann als aus Kohle oder durch Atomkraftwerke.

Autor: Benjamin Wüst

Redaktion: Hartmut Lüning