Russland: Migranten in den Medien | Newsletter & Co. | DW | 05.08.2011
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Newsletter & Co.

Russland: Migranten in den Medien

Die Berichterstattung über Migranten steht im Fokus eines Projekts der DW Akademie mit der russischen Stiftung für unabhängiges Radio (FNR). FNR-Projektmanagerin Jelena Uporowa berichtet von ihren Erfahrungen.

Jelena Uporowa

Jelena Uporowa

Russland ist nach UN-Angaben das Land mit der zweitgrößten Zahl von Einwanderern weltweit. Woher kommen diese Menschen und wie ist ihre Situation in Russland?
Jelena Uporowa:
Nach Angaben des Föderalen Migrationsdienstes (FMS) leben derzeit fünf Millionen Arbeitsmigranten in Russland. Nichtregierungsorganisationen bestätigen diese Zahl. Möglicherweise gibt es noch weitere anderthalb Millionen, die hier schon seit langem leben und auch noch lange bleiben wollen. Die meisten Migranten kommen aus Usbekistan, Tadschikistan und China. Der größte Teil der Migranten arbeitet auf dem Bau oder in Kleinunternehmen. Beide Bereiche hängen sehr stark von ihnen ab.

Wie nimmt die russische Bevölkerung die Migranten wahr?
Im Alltag hört man oft den Satz: "Die nehmen uns unsere Arbeitsplätze weg". Dabei schaffen Migranten in der Realität oft Arbeitsplätze für gut ausgebildete russische Bürger. Gäbe es Arbeit für den Vorarbeiter, wenn auf dem Bau keine ausländischen Bauarbeiter schufteten? Mich interessiert mehr die Frage, wie Migranten die russische Bevölkerung wahrnehmen. Wer verliert in Wirklichkeit seine Identität? Arbeitsmigranten, die sich gegenseitig unterstützen, oder die Einwohner der Großstädte, die sich angeblich in der "Menge" der Usbeken und Tadschiken verlieren? Zwar hat der Kreml bei den letzten Präsidentschaftswahlen nach Expertenansicht erstmals nicht die "nationalistische Karte" gespielt, doch auf der anderen Seite bemüht sich die Staatsmacht nicht um mehr Toleranz und versucht auch nicht, die ökonomischen Vorteile der Zuwanderung zu erklären. Diese Versäumnisse nutzen häufig Extremisten. Zwar sinkt insgesamt anscheinend die Zahl der Verbrechen mit nationalistischem Hintergrund, aber der alltägliche Rassismus wächst. Wohin soll das führen?

Wie berichten die Medien in Russland über Migranten?
Wie immer katastrophal. Hauptsächlich in Meldungen über Verbrechen, ohne tiefgründige Analyse oder starke persönliche Geschichten. Auf einem der föderalen Fernsehkanäle fragte eine Moderatorin, die deutliche Sympathien für Sinti und Roma hatte, plötzlich: "Brauchen wir Zigeuner?" Sie wusste einfach nicht, wie sie über dieses Thema reden sollte. Es wird nur sehr wenig über Erfolgsgeschichten berichtet. Arbeitsmigration ist in den russischen Medien immer "Breaking news".

Wo liegen für Journalisten die Schwierigkeiten bei der Umsetzung dieses Themas?
Da in den vergangenen Jahren ein ernsthafter Journalismus fast verloren gegangen ist, scheint es, als ob die Journalisten in Russland verlernt hätten, Themen zu bearbeiten, die schwierig und mehrdeutig sind und die eine Spezialisierung und ein nachdenkliches Arbeiten erfordern. Arbeitsmigration ist eines dieser Themen. Ruhiger, leiser und nachdenklicher ist da mein einziger Rat.

08.2011 DW-AKADEMIE Medienentwicklung Europa Zentralasien Russland Berichterstattung über Migranten Logo FNR

In dem Projekt bringen die DW Akademie und die FNR Radio-Journalisten und Aktivisten von NGOs in Workshops zusammen. Warum ist das wichtig?
Es ist wichtig eine "Brücke" zwischen den Informationen zu bauen, über die jeweils die Aktivisten und die Medien verfügen. Je mehr sie miteinander sprechen, desto weniger Konfliktpotenzial wird es zwischen ihnen geben. Es ist notwendig, dass beide Seiten professionell zusammenarbeiten. Mit gesunder Skepsis und Analyse.

Wie ist ihre Bilanz nach dem ersten Workshop?
Es ist noch zu früh, um Bilanz zu ziehen. Wir haben vier gute Radiofeatures produziert. Aber es war schwierig. Die Kommunikation zwischen NGOlern und Journalisten war nicht einfach. Aber die Vorurteile nehmen langsam ab. Es ist ein gewisses gegenseitiges Vertrauen entstanden, aber auch eine Skepsis, die ebenfalls sehr wichtig ist.

Wie geht es weiter mit dem Projekt?
Vor uns liegen noch sechs weitere Föderalbezirke der Russischen Föderation, in denen wir diesen Workshop anbieten. Wir werden sehen, was uns dort erwartet. Außerdem wollen wir das Thema ein wenig erweitern und etwas wirklich Starkes, Inspirierendes und Dokumentarisches schaffen. Ein Multimediaprojekt, das dem Publikum seine Augen weit öffnet, statt den Blick zu verengen.


Das Interview führte DW Akademie-Projektmanager Erik Albrecht.

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