1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Russland liefert Gas nach

2. Januar 2006

Nach dem Stopp der russischen Gaslieferungen an die Ukraine hatten am Montag auch mehrere andere europäische Länder einen Druckabfall bei ihrer Versorgung gemeldet. Jetzt will Russland Gas nachliefern.

https://p.dw.com/p/7jHV
Die Gasleitungen sind weit verzweigtBild: dpa

Der russische Staatskonzern Gasprom wirft der Ukraine Diebstahl von Gas im Wert von umgerechnet 21 Millionen Euro vor. Der stellvertretende Gasprom-Vorsitzende Alexander Medwedew sagte am Montag (2.1.2006), die Ukraine habe allein am Sonntag etwa 100 Millionen Kubikmeter Erdgas abgeschöpft, das für Europa bestimmt gewesen sei. Der ukrainische Energieminister Iwan Platschkow wies die Anschuldigung umgehend zurück. "Es hat keine nicht autorisierte Umleitung von Gas gegeben", sagte Platschkow.

Deutschland will nicht vermitteln

Gaszähler
Noch merkt der Verbraucher nichts vom StreitBild: AP

Der Essener Gas-Importeur E.ON Ruhrgas - der ein Drittel seines Erdgases aus Russland bezieht - hat einen Tag nach dem Lieferstopp von Russland an die Ukraine erste Liefereinschränkungen beim Gas aus Russland festgestellt. "Wir bekommen eindeutig weniger als vertraglich vorgesehen, aber wir können das noch nicht genau beziffern", sagte Ruhrgas-Sprecherin Tatjana Dreyer. Bislang könne das Defizit problemlos ausgeglichen werden. Sollten die Störungen beim russischen Gas länger andauern, will Ruhrgas mehr Gas aus anderen Ländern importieren.

Die Bundesregierung forderte Russland und die Ukraine auf, ihren Gasstreit ohne Beeinträchtigung der Versorgung Europas beizulegen. "Die Bundesregierung erwartet von Russland und der Ukraine, dass die bilateralen Verhandlungen zwischen den beiden Staaten über die Gaslieferung an die Ukraine nicht zur Beeinträchtigung der Gaslieferung in Europa führen", sagte der stellvertretende Regierungssprecher Thomas Steg in Berlin. Die Verhandlungen zwischen Russland und der Ukraine sollten sobald wie möglich mit einem für beide Seiten tragbaren Kompromiss abgeschlossen werden. Die Bundesregierung habe mit Moskau und Kiew Gespräche geführt, wolle aber auch in Zukunft keine Vermittlerrolle übernehmen.

Nachlieferung

Unterdessen meldete die russische Nachrichtenagentur Interfax am Montag, der staatliche russische Gasmonopolist Gasprom habe bereits eine zusätzliche Liefermenge von 95 Millionen Kubikmetern abgeschickt. Die Menge soll jenes Gas ersetzen, das die Ukraine nach Gasprom-Sicht entwendet haben soll.

Angebot aus den Niederlanden

Falls der Erdgas-Konflikt zwischen Russland und der Ukraine die deutsche Gasversorgung beeinträchtigen sollte, könnten die Niederlande zusätzliche Lieferungen anbieten, versicherte der größte niederländische Gasproduzent Gasunie. Nach seinen Angaben liefern die Niederlande derzeit jährlich 20 Milliarden Kubikmeter Erdgas aus eigenen Vorräten in das Nachbarland. "Deutschland ist damit unser größter Kunde", sagte ein Gasunie-Sprecher. Allerdings könne sich der Preis erhöhen, wenn Zusatz-Lieferungen den vertraglichen Rahmen überstiegen. Die Erdgasvorräte der Niederlande sind nach Expertenangaben groß genug, um den Bedarf des Landes bestimmt für die nächsten 20 Jahre sicherzustellen. Dennoch bezieht Holland ebenfalls Erdgas aus Russland.

Langfristige Lieferverträge

"Wir hoffen, dass die Verringerung der Lieferungen vorübergehend ist, denn sie erfolgt mitten im Winter", erklärte der Chef des Versorgerkonzerns Gaz de France, Jean-Francois Cirelli, in Paris. Trotz vorbeugender Maßnahmen bereite ihm die Möglichkeit eines längeren Ausfalls Sorge. Das Pariser Außenministerium rief Russland und die Ukraine auf, die Gasgespräche "so rasch wie möglich" mit dem Ziel einer für alle Seiten akzeptablen Lösung wieder aufzunehmen. Paris stimme sein Vorgehen mit seinen europäischen Partnern ab, hieß es. Zuvor hatte Industrieminister Francois Loos versichert, Gaz de France könne eine Verringerung der russischen Lieferungen ausgleichen. Frankreich deckt 21 Prozent seines Gasbedarfs in Russland.

Ukraine Russland Streit um Gaslieferungen Viktor Juschtschenko
Viktor Juschtschenko will die hohen Gaspreise nicht zahlen, deshalb wurde der Hahn jetzt zugedreht.Bild: AP

An den Gasbörsen in Amsterdam, Zeebrugge in Belgien und in Großbritannien, die als Spotmärkte für die Gasversorgung dienen, gab es nach Darstellung von Energiehändlern am Montag keine außergewöhnlichen Entwicklungen als Folge des Konflikts. Dies hänge auch damit zusammen, dass die Gasabnehmer in Westeuropa weitgehend langfristige Lieferverträge abgeschlossen hätten.

25 Prozent Versorgungslücke

In Österreich kam nach dem Lieferstopp an die Ukraine etwa ein Drittel weniger russisches Gas an als in den Verträgen vereinbart.

Mehrere Kraftwerke in Ungarn stellten auf den Betrieb mit Heizöl um. Seit Sonntagabend erhält Ungarn um 25 Prozent weniger russisches Erdgas als vertraglich vereinbart.

Polen verzeichnete nach dem Stopp der Gaslieferungen für die Ukraine durch Russland einen leichten Druckabfall in seiner Pipeline. Polens Wirtschaftsminister Piotr Wozniak trat Befürchtungen entgegen, das Land werde durch die Maßnahmen Moskaus schwer getroffen. Polen verfüge über ausreichende heimische Reserven. Das Land versuche außerdem, mehr russisches Gas aus durch Weißrussland verlegte Pipelines zu erhalten. Der Verbraucher habe nichts zu befürchten.

Der Umfang der Gaslieferungen aus Russland nach Rumänien sank um 25 Prozent. Wirtschaftsminister Codrut Seres berief für Dienstag eine Krisensitzung ein.

Der größte westeuropäische Gasexporteur, Norwegen, kann nach eigener Darstellung die durch den russisch-ukrainischen Gasstreit entstandene Versorgungslücke nicht schließen. "Wir produzieren mit voller Kapazität, wir können daher nicht mehr exportieren", sagte eine Sprecherin des Öl- und Energieministeriums in Oslo. Norwegen liefert nach Westeuropa täglich etwa 270 Millionen Kubikmeter Gas.

Brüssel zeigt sich bisher zurückhaltend. Zwar bestellte der aus der früheren Sowjetrepublik Lettland stammende EU-Energiekommissar Andris Piebalgs für diesen Mittwoch Fachleute aus den Mitgliedstaaten ein. Sie sollen über die Sicherheit der Gasversorgung Europas beraten. Doch über die Äußerung einer allgemeinen Besorgnis hinaus ist der EU-Kommission wenig Konkretes zur Lage auf den europäischen Energiemärkten zu entlocken. (kas)