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Russland lehnt Europarats-Konvention weiter ab

18. Januar 2007

Als einziges Mitgliedsland des Europarates hat Russland ein Protokoll zur Menschenrechtskonvention noch immer nicht ratifiziert. Moskau fürchtet die Umsetzung von Gerichtsurteilen aus Straßburg.

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Die russische Staatsmacht möchte das 14. Protokoll zur Europäischen Menschenrechtskonvention nicht ratifizieren, weil sie befürchtet, Urteile des Straßburger Gerichtshofes umsetzen zu müssen. Das erklärten am 16. Januar Anwälte der russischen Bürgerrechtsorganisation "Zentrum zur Hilfe bei internationaler Verteidigung". Das Zentrum unterstützt russische Bürger, die vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte klagen wollen. Die russische Staatsmacht hatte ihren Beschluss zuvor damit erklärt, dass die in der Konvention vorgesehene Reform des Straßburger Gerichtshofes die Qualität seiner Urteile verändern könnte. Russland ist derzeit das Land, aus dem die meisten Ersuchen an den Europäischen Gerichtshof gerichtet werden. Die Russen klagen vor allem über die Willkür in Gefängnissen, über Folter in der Armee und der Miliz sowie über ungerechte Gerichtsverfahren.

Moskau spricht von Politisierung des Gerichts

Rene van der Linden, Europarat
Rene van der LindenBild: picture alliance/dpa

Vergangene Woche wurde erneut die Diskussion um den Beschluss der russischen Staatsduma entfacht, das 14. Protokoll zur Europäischen Menschenrechtskonvention nicht zu ratifizieren, das ein vereinfachtes Verfahren zur Prüfung von Fällen im Straßburger Gerichtshof vorsieht. Dabei machte der Präsident der Parlamentarischen Versammlung des Europarates, René van der Linden, der sich zu einem Besuch in Russland aufhielt, darauf aufmerksam, dass Russland das einzige Land sei, das die Konvention bisher nicht unterzeichnet habe.

Wladimir Putin Gasstreit Russland Ukraine
Wladimir PutinBild: AP

Danach griff der russische Präsident Wladimir Putin das Thema auf. Bei einem Treffen mit Vertretern des Europarates, die für Menschenrechte zuständig sind, sagte er, Russland werde mit einer Politisierung des Straßburger Gerichtshofes konfrontiert. Als Beispiel führte er den so genannten "Fall Ilaschku" an. Der ehemalige moldauische Abgeordnete und heutige rumänische Senator wurde wegen Terrorismus in Transnistrien zum Tode verurteilt. Nachdem sich aber der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte in den Fall eingeschaltet hatte, wurde er freigesprochen. Zudem wurde Russland und die Republik Moldau verpflichtet, Ilaschku eine hohe Entschädigung zu zahlen. Präsident Putin betone, er sei nicht gegen die Ratifizierung des Protokolls: "Wenn ich dies nicht wollte, dann hätte ich das Protokoll der Staatsduma nicht zur Unterzeichnung vorgelegt."

Menschenrechtler sehen hinterlistige Gründe

Die Anwältin des "Zentrums zur Hilfe bei internationaler Verteidigung", Karina Moskalenko, erklärte, die russische Staatsmacht verheimliche den wahren Grund für die Ablehnung der Ratifizierung: "Die Gründe sind sehr hinterlistig. Schauen sie in das Dokument! Was ist für die russische Staatsmacht gefährlich? Ich sage Ihnen, was. Nehmen Sie Artikel 17 des Dokuments. Es geht um die Umsetzung von Urteilen. Früher konnte man unter Anwendung des Rechts, sich an der Debatte im Ministerkabinett zu beteiligen, irgendeine Resolution blockieren. Aber nun können einige Resolutionen des Europäischen Gerichtshofes nicht mehr blockiert werden, die mit der Mehrheit der Stimmen verabschiedet werden, und mit denen die russische Staatsmacht prinzipiell bewertet werden kann, auch wegen nicht umgesetzter Urteile des Europäischen Gerichtshofes." Moskalenko unterstrich, das könnte für Russland bitter enden, sogar mit dem Verlust des Sitzes im Europarat.

Jegor Winogradow
DW-RADIO/Russisch, 16.1.2007, Fokus Ost-Südost