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Russland: Kunstausstellung mit strafrechtlichen Folgen

15. Mai 2008

Gegen den Leiter des Moskauer Sacharow-Zentrums, Jurij Samodurow, hat die Staatsanwaltschaft Anklage erhoben wegen der Ausstellung "Verbotene Kunst – 2006". Bürgerrechtler sprechen von politischer Verfolgung.

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Kunst in Moskau wieder zensiert?Bild: AP

In der Ausstellung "Verbotene Kunst – 2006" im Moskauer Sacharow-Zentrum wurden im März 2007 Kunstwerke gezeigt, die von Kunstgremien oder Direktoren für eine Präsentation in Moskauer Galerien oder Museen nicht zugelassen wurden. Die Idee für die Ausstellung kam vom Kunstwissenschaftler Andrej Erofejew. Jurij Samodurow, Leiter des Moskauer Sacharow-Zentrums, hatte sie aufgegriffen. Die Ausstellung sollte eine Diskussion darüber anregen, ob in der in der Kunst überhaupt etwas verboten werden dürfe.

Wenige Wochen nach ihrer Eröffnung wurde die Ausstellung "Verbotene Kunst - 2006" dann vorzeitig geschlossen. Ausstellungsleiter Samodurow sollte sich verantworten. Doch erst am 13. Mai dieses Jahres wurde Samodurow mitgeteilt, was ihm zur Last gelegt wird. Der Untersuchungsrichter brauchte also über ein Jahr, um die Anklage gegen Samodurow zu formulieren. Der Untersuchungsrichter kam zu dem Ergebnis, dass Bürger, die sich zum orthodoxen Glauben bekennen, durch die Ausstellung "aufs heftigste psychisch traumatisiert" worden seien.

"Wie unter der Sowjetmacht"

Russische Menschenrechtler protestieren gegen die Vorwürfe der Behörden. "Alles deutet darauf hin, dass das Verfahren gegen den Leiter des Sacharow-Zentrums, Jurij Samodurow, als politische Verfolgung zu werten ist." Das erklärte am 14. Mai der russische Menschenrechtler Lew Ponomarjow zum Vorgehen der Staatsanwaltschaft.

Die Leiterin der Moskauer Helsinki-Gruppe Ljudmila Aleksejewa sieht in dem Vorgehen gegen den Leiter des Sacharow-Zentrums Parallelen zu Strafverfahren, die einst von der Sowjetmacht gegen Dissidenten eingeleitet wurden: "Ich erinnere mich in diesem Zusammenhang, wie Brodskij 1964 verurteilt wurde. Die Richterin fragte ihn damals: Wo arbeiten Sie? Brodskij antwortete: Ich bin nirgends im Dienst, aber ich beschäftige mich damit, dass ich Gedichte schreibe und literarische Übersetzungen mache. Die Richterin verstand Brodskij nicht und beschuldigte ihm weiterhin der Schmarotzerei. Und hier haben wir das Selbe."

Interessant ist, dass die Strafsache gegen Samodurow von den Abgeordneten der Staatsduma Sergej Baburin und Aleksandr Tschujew initiiert wurde, die nichts mit der Kirche zu tun haben und die Ausstellung gar nicht besucht hatten. Die Bürgerrechtler meinen, dass es den Untersuchungsrichtern bereits gelang, das Wichtigste zu erreichen. Der Leiter des Sacharow- Zentrums war gezwungen, die Durchführung einer Versammlung der neuen vereinigten demokratischen Bewegung in seinen Räumlichkeiten abzusagen. Samodurow schließt nicht aus, dass das Zentrum sich in seinen Aktivitäten noch mehr wird zurückziehen müssen.

Jegor Winogradow