Umfrage, Russland, EU
12. Juni 2012Die anhaltende Eurokrise trübt offenbar die Einstellung der russischen Bevölkerung zur Europäischen Union. Deutlich kritischer als im vergangenen Jahr sehen Russen die Perspektiven der Beziehungen zur EU. Das zeigt der aktuelle DW-Trend für Russland im Monat Juni. Dafür hat das Meinungsforschungsinstitut IFAK im Auftrag der Russischen Redaktion der Deutschen Welle repräsentativ 1000 Personen im Alter zwischen 18 und 65 Jahren in ganz Russland befragt.
Während die Zahl der Befürworter eines EU-Beitritts Russlands mit 38 Prozent annähernd gleich blieb, wächst die Zahl der Gegner. Fast die Hälfte der Befragten (47 Prozent) lehnt in der aktuellen Umfrage einen EU-Beitritt ihres Landes ab. Das sind elf Prozent mehr als im vergangenen Jahr.
Hauptziel der Europäischen Union ist aus Sicht der russischen Bevölkerung ganz klar die Förderung von Wirtschaftswachstum (55 Prozent). Doch gerade bei diesem Kernthema, das auch die meisten Russen am wichtigsten finden, hat die Europäische Union in den letzten Monaten kein gutes Bild abgegeben. Die Schuldenkrise in der Euro-Zone dämpft das Wirtschaftswachstum. Entsprechend schwindet offenbar auch das Vertrauen der Russen in die EU.
40 Prozent der Befragten meinen, die EU verfolge als Ziel die territoriale Erweiterung. Jeder Fünfte nennt die Entwicklung eines gemeinsamen Sicherheitssystems und die Durchsetzung europäischer Interessen in der Welt als Ziele, die die EU verfolge. Dabei zeigt sich ein grundsätzliches Problem. Viele Russen unterstützen zwar den Aufbau eines gemeinsamen europäischen Sicherheitssystems, aber nur wenige machen sich für eine territoriale Erweiterung der EU und die Durchsetzung europäischer Interessen in der Welt stark.
Zugleich ist die russische Bevölkerung skeptisch bezüglich des Images ihres Landes in Europa. Weiterhin glaubt sie mehrheitlich, dass Russland in Europa vor allem als Lieferant für Rohstoffe und billige Arbeitskräfte gesehen wird (35 Prozent). Lediglich ein Viertel der Befragten (24 Prozent) meint, dass Europa Russland für einen zuverlässigen strategischen Partner hält.
22 Prozent vertreten eine noch skeptischere Sicht. Sie vermuten, dass Russland in Europa als eine unberechenbare Großmacht mit imperialen Ambitionen gesehen wird. Die Einstellung hat sich dabei gegenüber 2011 kaum verändert. Aus Sicht der russischen Bevölkerung konnte Russland damit seinen Einfluss bzw. sein Image in Europa in den vergangenen Monaten nicht positiv verändern.
Die Schwäche der Europäischen Union wirkt sich offenbar auch auf das bilaterale Verhältnis zwischen der EU und Russland aus. Während im April 2011 noch mehr als die Hälfte der Befragten die Beziehungen als freundschaftlich oder partnerschaftlich bewertete (52 Prozent), teilen diese Meinung im aktuellen DW-Trend nur noch 43 Prozent der Befragten.
Das Verhältnis zwischen Deutschland und Russland hat hingegen deutlich weniger gelitten. Zwar ist der Anteil derer, die den beiden Ländern ein freundschaftliches Miteinander bescheinigen, um sechs Prozent auf 24 Prozent gesunken. Jedoch hält weiterhin eine deutliche Mehrheit von insgesamt 70 Prozent der russischen Bevölkerung die deutsch-russischen Beziehungen für freundschaftlich oder partnerschaftlich.
Die Entscheidung einiger EU-Politiker, nicht zur Fußball-EM zu reisen, um so gegen Menschenrechtsverletzungen in der Ukraine zu protestieren, wird von einer deutlichen Mehrheit der russischen Bevölkerung kritisch bewertet. 60 Prozent halten diese Entscheidung für falsch. Lediglich 17 Prozent finden sie richtig. Entsprechend stieße auch ein eventueller politischer Boykott der Olympischen Winterspiele im Jahr 2014 im russischen Sotschi auf wenig Unterstützung. 71 Prozent fänden es falsch, wenn es zu einer solchen Protestaktion wegen Menschenrechtsverletzungen in Russland käme. Nur 14 Prozent würden sie unterstützen.