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EU nach Nemzow-Attentat brüskiert

3. März 2015

Moskau trägt Trauer nach der kaltblütigen Ermordung von Boris Nemzow. Doch im Ausland dominieren Unmut und Verdruss. Denn das Verhalten der russischen Behörden hat auf diplomatischem Parkett Porzellan zerschlagen.

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Foto des ermordeten Oppositionellen Boris Nemzow zwischen Blumen (foto: picture alliance)
Bild: picture alliance

Tausende erwiesen dem ermordeten Kreml-Kritiker Boris Nemzow die letzte Ehre - nur nicht Russlands Präsident Wladimir Putin und auch nicht Regierungschef Dmitri Medwedew, der immerhin noch vor wenigen Wochen den Weg nach Saudi-Arabien gefunden hatte, um nach dem Tod von König Abdullah persönlich zu kondolieren.

Während die Trauernden in Moskau am offenen Sarg Nemzows vorbeizogen und "Helden sterben nicht" riefen, richteten sich die Augen internationaler Beobachter vor allem auf diejenigen, die nicht erschienen, wie die Spitzenvertreter des russischen Staates - aber auch auf jene, die nicht kommen durften.

Diplomatischer Aufruhr

Nemzow hat inzwischen auf dem Trojekurowo-Friedhof im Westen der Hauptstadt seine letzte Ruhe gefunden. Doch die Stille wird durch einen diplomatischen Aufruhr übertönt. Die Europäische Union hat Russland scharf kritisiert, weil es ausländischen Politikern den Zugang zu den Trauerfeierlichkeiten verwehrte.

Die Entscheidungen seien "ein klarer Bruch" grundlegender Prinzipien, sagte eine Sprecherin der EU-Kommission in Brüssel. Es sei auch "nicht das erste Mal, dass wir solche Weigerungen aus offenbar willkürlichen Gründen sehen". EU-Parlamentspräsident Martin Schulz sprach von einem "Affront gegen die Beziehungen zwischen der EU und Russland und gegen die Arbeit demokratischer Institutionen".

Pass-Entzug für Ex-Ministerin

Die lettische EU-Abgeordnete Sandra Kalniete und der polnische Senatspräsident Bogdan Borusewicz (Foto: picture alliance/Wiktor Dabkowski/AFP/Getty Images/Petras Malukas)
Zurückgewiesen: Die lettische EU-Abgeordnete Sandra Kalniete und der polnische Senatspräsident Bogdan BorusewiczBild: picture alliance/Wiktor Dabkowski/AFP/Getty Images/Petras Malukas

Russland hatte den Eklat ausgelöst, als es dem polnischen Senatspräsidenten Bogdan Borusewicz und der stellvertretenden Vorsitzenden der konservativen EVP-Fraktion im Europaparlament, Sandra Kalniete, die Einreise verweigerte. Der lettischen Ex-Ministerin war am Moskauer Flughafen sogar der Pass abgenommen worden.

Das polnische Außenministerium erklärte, die Einreiseverbote seien eine Reaktion auf die von der EU im Zuge des Ukraine-Konflikts verhängten Sanktionen. Warschau reagierte mit einer Protestnote. In einer Grußbotschaft an die Familie und Freunde Nemzows schrieb Borusewicz, er hoffe nicht allein auf die Bestrafung der Mörder von Nemzow, sondern auch derer, "die verantwortlich sind für die Hetze auf die, die nicht mit imperialer Politik und Aggression gegen Nachbarstaaten einverstanden sind".

Schwarze Liste mit EU-Politikern

Russland hatte bereits in der Vergangenheit EU-Politikern die Einreise verwehrt. Betroffen war im September die grüne Abgeordnete Rebecca Harms. Nach ihren Angaben haben die russischen Behörden als Reaktion auf die europäischen Sanktionen im Ukraine-Konflikt eine Art Schwarze Liste mit unerwünschten Personen aus der EU erstellt.

Neben der politischen Verstimmung wächst auch der Druck auf die russische Führung vonseiten der Opposition. Die Gegner Putins betonten am Tag der Trauer, die Verantwortung für den Mord liege bei den Machthabern im Kreml. Nemzows Weggefährte Ilja Jaschin sagte, eiskalte Profis, vermutlich von Geheimdiensten geführt, hätten die vier tödlichen Schüsse in der Nacht zum Samstag abgefeuert. Er vermutet, die politische Führung habe verhindern wollen, dass Nemzows Recherchen zum Krieg in der Ostukraine - und zur angeblichen Beteiligung Moskaus - öffentlich werden. Der Kreml hingegen weist alle Anschuldigungen zurück.

jj/kle (dpa, afp)