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Russischer Sturm im Wasserglas?

Ute Schaeffer30. März 2004

Am Montagabend (29.3.) feierte die NATO ihre Osterweiterung. Nicht zum Feiern zumute ist Russlands Regierung. Sie fürchtet eine militärische Bedrohung durch die NATO und warnt vor möglichen russischen Gegenmaßnahmen.

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NATO: Kurs OstenBild: AP

Gerade einmal fünf bis sieben Minuten dauert der Flug von Tallinn bis nach Sankt Petersburg - auch für die Flugzeuge der NATO. Der russische Verteidigungsminister Sergej Iwanow findet das beunruhigend. "Russland befürchtet Lücken in seiner Sicherheit", so erklärte er in Moskau. Die Erweiterung der Verteidigungsallianz um die drei kleinen baltischen Staaten Lettland, Litauen und Estland ist - nicht nur aus Moskauer Sicht - ein gewaltiger politischer Schritt. Erstmals treten der westlichen Allianz damit drei ehemalige Sowjetrepubliken bei, rückt die NATO bis an die Grenzen Russlands vor - wenn auch nur rein territorial.

Ehemaliges Staatsgebiet

Bis vor 13 Jahren gehörten alle drei Staaten zur Sowjetunion. Doch bereits unmittelbar nach der Unabhängigkeitserklärung gehörte die vollständige Mitgliedschaft in der NATO zu den wichtigsten außenpolitischen Zielen. Nach Jahrzehnten der sowjetischen Gewaltherrschaft, die von vielen Balten auch heute noch als "sowjetische Besatzung" bezeichnet wird, sollte für die Zukunft verhindert werden, dass das Gebiet erneut von Russland okkupiert werden könne. Der Beitritt zur NATO ist für die Balten auch eine Sicherheitsgarantie gegenüber Moskau.

Sergej Jastrschembski
Sergej JastrschembskiBild: dpa

Für Russland ist der Beitritt der Balten deshalb in vielerlei Hinsicht eine besondere Provokation - bis heute vertreten russische Verteidigungsexperten diese Position. Russland hat demnach seinen grundsätzlichen Standpunkt zur Erweiterung der NATO nie geändert. "Vielleicht ändern sich Nuancen, weil sich die Weltpolitik ändert", sagt Sergej Jastrschembski, Putins ehemaliger Sicherheitsberater, in einem Interview mit der Deutschen Welle. "Wir sind nach wie vor mit der NATO-Erweiterung nicht einverstanden, denn wir sehen keine Gründe dafür, warum das geschieht. Wir wissen alle, dass der Gegner, gegen den das Bündnis gegründet wurde, nicht mehr existiert."

Aufklärung Richtung Russland

Die größte Besorgnis der Verteidigungsexperten in Moskau: Wird die NATO im Baltikum neue Stützpunkte einrichten? Aus russischer Sicht ist das nicht akzeptabel. In der NATO-Planung hingegen bieten die neuen Beitrittsländer vor allem eine Möglichkeit die Aufklärung aus der Luft zu verbessern - auch in Richtung Russland. Von Litauen aus soll in Zukunft auch ein großer Teil des russischen Luftraums überwacht werden. Unvorstellbar und anmaßend - so wird das in Russland kritisiert. Und in dieser Hinsicht wird die neue Erweiterungsrunde als militärisch bedrohlich, als "offensive militärische Doktrin" empfunden.

Moskau antwortet auf diese Bedrohung nicht minder deutlich. So hat es bereits seinen Bündnispartner Belarus mit Flugabwehrsystemen S-300 ausgestattet. Und wenn die Balten nicht schnellstens dem KSE-Vertrag beitreten, der Rüstungsobergrenzen für alle beteiligten Staaten festschreibt, so heißt es in Moskau, werde man auch im Gebiet Kalinigrad aufrüsten. Damit nicht genug: Vor wenigen Tagen drohte Verteidigungsminister Sergej Iwanow gar mit einer Änderung der russischen Militärdoktrin als Antwort auf die NATO-Erweiterung. Russland werde seine "militärischen Planungen und Strategien, darunter auch die nukleare Komponente" überdenken, kündigte Iwanow an.

Nur ein Sturm im Wasserglas und leere Drohungen ? Ausgemacht ist das zwar nicht, doch immerhin gibt es seit zwei Jahren mit dem NATO-Russland-Rat ein Gremium, in dem solche Dissonanzen ausgeglichen werden können. Dort dürfte es auch nach der feierlichen Aufnahmezeremonie der Balten noch reichlich Gesprächsbedarf geben.