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Russische Medien ignorieren Fall Omran

19. August 2016

In der westlichen Welt hat das Bild des kleinen Omran Bestürzung ausgelöst. In russischen Medien spielt es dagegen fast keine Rolle. Die Bundesregierung setzt sich für regelmäßige längere Waffenruhen in Aleppo ein.

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Der verletzte Junge Omran Daqneesh und seine Schwester im syrischen Aleppo (Foto: Reuters)
Der verletzte Junge Omran Daqneesh und seine Schwester im syrischen AleppoBild: Reuters/M. Rslan

Ein Foto geht um die Welt. Das Bild des verstörten syrischen Jungen Omran, der nach einem Bombenangriff in Aleppo aus einem zerstörten Haus geborgen wurde, bewegt noch immer viele Menschen in aller Welt. Es zeigt, wie der Fünfjährige mit blutendem Kopf in einem Krankenwagen auf seine Behandlung wartet. Ein Sprecher des US-Außenministeriums bezeichnete den Jungen als "das wahre Gesicht" des Syrien-Konflikts. "Dieser kleine Junge hat in seinem ganzen Leben keinen Tag erlebt, in dem er nicht Krieg, Tod, Zerstörung und Armut in seinem Land erfahren hat", sagte John Kirby.

In russischen Zeitungen ist das Foto von Omran, das inzwischen zu einem Schlüsselfoto des Syrien-Krieges geworden ist, am Freitag dagegen nicht zu finden. Russland ist ein enger Verbündeter des syrischen Machthabers Baschar al-Assad, seine Luftwaffe fliegt Angriffe, um ihn an der Macht zu halten. In das russische Internet gelangte das Foto von Omran vor allem über die russischsprachigen Seiten internationaler Medien wie der Deutschen Welle oder der britischen BBC.

Ein verstörendes Video

Staatlich gelenkte russische Medien brachten am Freitag stattdessen eine eigene Geschichte über eine in Aleppo verheiratete Russin, die ihre drei Kinder vor einer Bombe gerettet haben soll. Die Mutter habe die Kinder in ihrer Wohnung mit ihrem Körper geschützt, meldete die Agentur Interfax unter Berufung auf das russische Militär. Die Frau habe einen Arm und ein Bein verloren und sei zur Behandlung nach St. Petersburg ausgeflogen worden.

Arabische Zeitungen auf Distanz

Arabische Zeitungen hielten sich bei der Verbreitung des Bildes ebenfalls zurück. Von den großen arabischen Zeitungen brachte nur "Al-Sharq al-Awsat" das Bild Omrans auf die Titelseite. Die meisten Blätter entschieden sich, die Aufnahme im Innenteil zu drucken und mit neutralen Beschreibungen zu versehen. Die Zeitung "Al-Shorouk" spricht von einer "neuen Tragödie in Syrien". Die staatliche ägyptische Zeitung "Al-Ahram" greift den Fall die gar nicht auf. Generell herrschten eher nüchterne nachrichtliche Darstellungen vor. In sozialen Medien in der arabischen Welt wurden das Foto und das Video - teilweise verfremdet - jedoch tausendfach geteilt.

Ein Sprecher des Außenministeriums in Moskau sagte, Russland sei nicht für den Angriff verantwortlich, bei dem Omran am Mittwochabend in dem Stadtviertel Katardschi verletzt wurde, das von den Rebellen gehalten wird. Russische Flugzeuge griffen grundsätzlich keine Ziele in Wohngebieten an, betonte Igor Konaschenkow. Bei westlichen Medienberichten über Omrans Schicksal handele es sich um "antirussische Propaganda".

Smarte Medien-Aktivisten

Die Bilder aus Aleppo entstehen im Allgemeinen nicht zufällig. Medien-Aktivisten suchen Motive mit dem Ziel, ikonische Bilder zu schaffen. Sie wissen sehr genau um die Wirkung, die von den Aufnahmen ausgehen kann. Im Fall von Omran war es das oppositionelle Aleppo Media Center, das nach einem Luftangriff ein Video aufnahm. Vor Ort war auch der Fotograf Mahmud Raslan.

Die einstige Handelsmetropole Aleppo ist seit vier Jahren zwischen den Regierungstruppen im Westen und den islamistischen Rebellen im Osten geteilt. In den Vierteln unter Kontrolle der Rebellen harren rund 250.000 Menschen aus, in den Stadtteilen unter der Kontrolle des Regimes sind es etwa 1,2 Millionen.

Zweitägige Feuerpause?

Am Donnerstag hatte Russland angesichts der verzweifelten Lage in Aleppo seine Bereitschaft erklärt, jede Woche eine 48-stündige Feuerpause in der nordsyrischen Großstadt einhalten zu wollen. So sollen ab der kommenden Woche Hilfslieferungen für die belagerte Bevölkerung ermöglicht werden.

Die geplante Feuerpause kann nach Ansicht von Bundeskanzlerin Angela Merkel nur ein "allererster Schritt" sein. Es dürfe nicht bei einer einmaligen Feuerpause bleiben, sagte Regierungssprecher Steffen Seibert. "Wir sehen neben Russland auch den Iran in besonderer Pflicht", fügte er hinzu. Neben Russland sind der Iran und die von Teheran finanzierte libanesische Schiitenmiliz Hisbollah die wichtigsten Verbündeten Assads. Die Details dieser Feuerpause müssten nun schnell geklärt werden, sagte eine Sprecherin des Auswärtigen Amts. Sie warnte zugleich vor einer Eskalation der Kämpfe im Vorfeld der Feuerpause, wie dies schon mehrfach zu beobachten gewesen sei.

Neue Bombenangriffe

Ungeachtet der russischen Ankündigung geht die Gewalt in Aleppo weiter. Kampfjets des Regimes bombardierten abermals Rebellengebiete im Osten der zweitgrößten syrischen Stadt, wie die Syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte mitteilte. Mindestens sechs Soldaten der Armee seien getötet worden, als Rebellen eine Panzerabwehrrakete auf sie abfeuerten. Auch bei Kämpfen im Südwesten der Stadt seien mehrere Menschen ums Leben gekommen.

kle/stu (dpa, afp, rtr)