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Vor der Wahl

Keno Verseck29. November 2008

Rumänien wählt ein neues Parlament. Doch von neuem Schwung kann keine Rede sein. Rückwärtsgewandte Kräfte nutzten im Wahlkampf die Gunst der Stunde, um mit großen Wahlversprechen auf Stimmenfang zu gehen.

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Parlamentspalast in Bukarest (Quelle: dpa)
Laut Umfragen könnte die Wahlbeteiligung für das neue Parlament in Bukarest auf ein Rekordtief sinkenBild: picture-alliance/ dpa

Die politische Landschaft Rumäniens scheint erstarrt zu sein angesichts der hereinbrechenden Auswirkungen der globalen Finanzkrise und der parteipolitischen Kleinkriege zwischen den politischen Lagern. Die Rumänen sind politikverdrossen. So sehr, dass die Wahlbeteiligung bei den Parlamentswahlen laut Umfragen auf ein Rekordtief sinken könnte.

Das veranlasste den rumänischen Staatspräsidenten am vergangenen Donnerstag (27.11.2008) zu einem eindringlichen Appell an das Land: Vor 18 Jahren seien Menschen gestorben, damit Rumänien frei wählen könne, so Traian Basescu, und für dieses Opfer trüge man auch jetzt Verantwortung.

Präsident contra Minderheitenregierung

Traian Basescu (Quelle: AP)
Beliebter Präsident: Traian BasescuBild: AP Photo

Die Politikmüdigkeit der Rumänen ist im Wesentlichen ein Ergebnis der politischen Krise, in der das Land steckt.

Auf der einen Seite steht der populistische und populäre Staatspräsident Traian Basescu, der permanent die Korruption anprangert und einen transparenten, bürgerfreundlichen Staat fordert.

Auf der anderen Seite aber stehen die Minderheitenregierung der Nationalliberalen und fast alle Parlamentsparteien - angefangen von Wendekommunisten über die Partei der ungarischen Minderheit bis hin zu den Ultranationalisten - die reformunwillig sind, weil sie um ihre Pfründe fürchten.

Wegen dieser Blockadepolitik von Regierung und Parlament hagelte es bereits im Juli scharfe Kritik aus Brüssel. Die EU-Kommission drohte Rumänien Sanktionen an. Es gehe um einen Ausweg aus der Krise und dem Reformstau.

Die Europäisierung Rumäniens

"Wir hatten schon immer große Dysfunktionalitäten, es gab in Rumänien noch nie gefestigte rechtsstaatliche Mechanismen", sagt der Bukarester Politologe Sorin Ionita. "Wir versuchen jetzt, sie zu schaffen, aber der politische Widerstand ist sehr groß. Es gibt mächtige Personen, für die eine Europäisierung Rumäniens ein Verlust wäre. Darüber wird jetzt abgestimmt."

Gegner einer zu weitgehenden Europäisierung Rumäniens sind beispielsweise die wendekommunistischen Sozialdemokraten. Viele der alten Apparatschiks und Ex-Securitate-Offiziere in der Partei gelten im Land als der Inbegriff eines korrupten Politikers. Doch ausgerechnet sie holen in den Umfragen auf - mit quasi-sozialistischen Wahlversprechen einer großen Umverteilung zugunsten von Armen und Benachteiligten.

Wachstum beruht auf ausländischem Kapital

Die Wahlversprechen kommen vor allem in ländlichen Gebieten gut an. Geholfen hat den Sozialdemokraten auch die globale Finanzkrise. Der rumänische Aufschwung der letzten Jahre mit Rekordwachstum und Vollbeschäftigung scheint vorbei, überall im Land werden Notbremsen gezogen: Privatunternehmen und Kommunen verschieben Investitionsvorhaben, viele Großunternehmen, darunter Stahlkombinate und Autoproduzenten, fahren ihre Produktion zurück.

Das sei erst der Anfang, erst im nächsten Jahr werde die Krise Rumänien richtig treffen, prognostiziert der Ökonom Ilie Serbanescu: "Es ist uns nicht gelungen, ein hausgemachtes Wachstum zu erzielen. Unser Wachstum basiert auf dem Konsum von Importwaren und auf dem Kapital ausländischer Investoren. Rumänien hat in den letzten Jahren immer besser gelebt, aber auf Kredit. Irgendwann muss man bezahlen. Durch die internationale Finanzkrise rückt der Augenblick des Bezahlens jetzt näher."

"Politische Klasse nur durch anderes Wahlverhalten reformierbar"

Monica Macovei (Quelle: dpa)
Monica Macovei kämpft gegen die KorruptionBild: picture-alliance / dpa/dpaweb

Schwer haben werden es angesichts der Finanzkrise die bisherigen Favoriten des Wahlkampfes. Das sind die Liberaldemokraten, deren Führung teure Wahlversprechen eher vermieden hat. Die Liberaldemokraten haben von ihrem Image als Partei des Staatspräsidenten profitiert und propagieren grundlegende Wirtschafts- und Sozialreformen sowie einen konsequenten Kampf gegen Korruption und Vetternwirtschaft.

Den Kampf soll unter anderem die parteilose Monica Macovei als Justizministerin führen. Von diesem Amt war sie im Frühjahr 2007 abgesetzt worden, als die damalige Koalition zerbrach. Während Macovei noch überlegt, ob sie die Nominierung akzeptieren soll, hat sie bereits klare Vorstellungen ihrer Tätigkeit: "Wir haben alle gesehen, dass es möglich ist, gegen Korruption vorzugehen." Künftig sollen deshalb strikte Regeln eingeführt werden. So soll die sehr weitgefasste Immunität, zum Beispiel für ehemalige Minister, eingeschränkt werden. Ansonsten betont Macovei: "Die politische Klasse ist nur in dem Maße reformierbar, in dem die Leute anders wählen als bisher."