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Rumänischer Präsident verurteilt Staats-Kommunismus

21. Dezember 2006

Rumänien hat als erstes Land den Kommunismus offiziell verurteilt. Die Ultra-Nationalisten kommentierten dies mit Buhrufen im Parlament. Auch Sozialdemokraten bezweifeln die Objektivität der zugrunde liegenden Studie.

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Präsident Basescu als VorreiterBild: DW
"In meiner Eigenschaft als rumänischer Staatschef verurteile ich ausdrücklich und kategorisch das kommunistische System in Rumänien, von seinen diktatorisch aufgezwungen Anfängen in den Jahren 1944-1947 bis zu seinem Zusammenbruch im Dezember 1989", sagte Präsident Traian Basescu in einer Rede vor beiden Kammern des Parlaments (18.12.2006). Eine von ihm eingesetzte Kommission hatte die 600 Seiten starke Kommunismus-Studie verfasst. Basescu hatte die Kommission im April 2006 berufen und einer ausgewählten Gruppe von Wissenschaftlern Zugang zu bisher verschlossenen Archiven gewährt.

Schimpftiraden der Opposition

Die Verurteilung des Kommunismus und der Verzicht auf den Ballast von 45 Jahren seien ein unabdingbarer Akt, auch wenn er erst so spät erfolge, so Basescu. "Endlich werde ich ruhig schlafen können", sagte er. Die Parlamentssitzung wurde vom ultra-nationalistischen Senator Corneliu Vadim Tudor und Parlamentariern aus der Partei Romania Mare (Großrumänien) PRM durch laute Pfeifkonzerte und Buhrufe gestört. Tudor, früher Hofdichter des 1989 gestürzten Diktators Nicolae Ceausescu, wird in der Studie als einer der "Helfer der Kommunisten" genannt. Er bezeichnete die Studie als "antirumänisch".

Obwohl sie von Basescu in der Rede nicht namentlich erwähnt wurden, fühlten sich die Oppositionsparteien PRM und PSD sichtlich unwohl und interpretierten die Verurteilung des Kommunismus als Versuch, ihre Legitimation in Frage zu stellen. Als Basescu sagte, dass er "in Kenntnisnahme des Berichts und der darin enthaltenen Realitäten mit voller Verantwortung" erkläre, das kommunistische Regime in Rumänien sei "illegitim und kriminell" gewesen, erreichten die Beschimpfungen und Pfeifkonzerte der PRM-Abgeordneten ihren Höhepunkt. Die PRM-Fraktion erhielt stillschweigende Unterstützung vom sozialdemokratischen Senatspräsidenten Nicolae Vacaroiu, der sich nicht wirklich darum bemühte, die Schimpftiraden zu unterbrechen.

Zweifel an Objektivität und Unabhängigkeit des Berichts

Die aggressive Haltung der Ultra-Nationalisten richtete sich gleichermaßen auch gegen die Ehrengäste im rumänischen Parlament: den früheren rumänischen Souverän, König Michael I., den ehemaligen Solidarnosc-Führer und früheren polnischen Staatschef Lech Walesa oder auch den demokratischen Intellektuellen und ehemaligen bulgarischen Präsidenten Scheliu Schelew. Corneliu Vadim Tudor versuchte, den Sinn seiner Protestaktion zu erklären. "In diesem lächerlichen gefälschten Bericht werden nur die Links-Parteien PSD und PRM verteufelt", sagte er. "Aber was ist mit dem ehemaligen König Michael, der uns die russischen Truppen ins Land holte aufgrund des Abkommens von Jalta? Was ist mit Roosevelt und Churchill, die uns die Russen aufhalsten? Haben die keine Verbrechen gegen die Menschlichkeit begangen?", fragte er. "Ihr wollt uns nur eure Wahrheit aufzwingen", so seine Schlussfolgerung aus der Arbeit der Kommission.

Auch wenn sich die sozialdemokratische Fraktion nicht an den Buhrufen der PRM-Abgeordneten beteiligte, zeigte sie sich ähnlich enttäuscht. Parteichef Mircea Geoana ist der Meinung, der Bericht öffne alte Wunden und sei nicht gerade das, was Rumänien vor dem EU-Beitritt gebrauchen könne. Die Kommission sei willkürlich zusammengesetzt worden, politisch rechtslastig und habe nur zum Ziel gehabt, den Kampf mit der kommunistischen Vergangenheit in eine politische Waffe für die Gegenwart zu verwandeln.

Ehemaliger Staatspräsident Iliescu kritisiert

Das Parlament Rumäniens schien in der Sitzung gespaltener denn je: Auf der einen Seite gab es ein klares, mehrheitliches Bekenntnis zur Demokratie, auf der anderen Seite gaben sich die Ultra-Nationalisten und auch viele Sozialdemokraten als Verfechter der Kommunistischen Partei (KP) zu erkennen. Ion Iliescu, ehemaliges Mitglied im Zentralkomitee der KP, Kritiker des im Dezember 1989 hingerichteten Diktators Ceausescu und eine zentrale Figur der politischen Wende von 1989, ersparte sich die Teilnahme am Festakt. Im Vorfeld hatte er bereits erklärt, der Bericht enthalte zum Teil "inakzeptable" Elemente. Im Bericht wird Iliescu zu denjenigen Politikern gezählt, die das "illegitime und kriminelle Regime" installiert und unterstützt haben. Der frühere Staatspräsident ist heute Ehrenvorsitzender der Sozialdemokratischen Partei (PSD). "Für uns alle war und ist die Zeit des kommunistischen Totalitarismus ein Trauma. Ich kann nicht akzeptieren, dass ich als Pfeiler des Kommunismus dargestellt werde", sagte Iliescu. "Diese haltlose Schlussfolgerung weise ich entschieden zurück".

Entschuldigung bei den Opfern

Über die Rolle Iliescus und anderer Ex-Kommunisten werden Historiker und Wissenschaftler sicherlich in Zukunft auch in den Archiven forschen können, die bisher geschlossen waren. Basescu hat angekündigt, die Archive zu öffnen. Auch ein Gedenktag für die Opfer des Kommunismus soll ausgerufen werden. Ein Zentral-Museum soll sich dieser Thematik widmen. In seiner Rede wandte sich Präsident Basescu auch klar an die Verfolgten des Kommunismus. "Im Namen des rumänischen Staates bringe ich mein Bedauern und Mitgefühl für die Opfer der kommunistischen Diktatur zum Ausdruck", sagte er. "Im Namen des rumänischen Staates bitte ich um Entschuldigung für das Leid, das die Opfer, ihre Familien, all jene, deren Leben durch die Verbrechen der kommunistischen Diktatur ruiniert wurde, erdulden mussten."

Horatiu Pepine, Bukarest / Robert Schwartz
DW-RADIO/Rumänisch, 19.12.2006, Fokus Ost-Südost