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Rumänen stimmen für neue Verfassung

Horatiu Pepine, Bukarest22. Oktober 2003

Rumänien bekommt eine neue Verfassung. In einem Referendum stimmten mehr als 90 Prozent der Wähler dafür. Die Verfassung soll dem Land den Weg in die EU ebnen. Horatiu Pepine über die Bedeutung des Votums.

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Wahlbüro in einem Gemüsemarkt in BukarestBild: AP

Rumänien muss sowohl Wirtschaft als auch Gesetzgebung den europäischen Anforderungen anpassen. Dazu haben die regierende Sozialdemokratische Partei und die bürgerlich-demokratische Opposition die traditionellen politischen Rivalitäten für kurze Zeit ruhen lassen und nach einjähriger Debatte im Parlament einen Verfassungsentwurf vorgelegt. Darin ist eine Stärkung der Menschenrechte und eine pro-europäische Ausrichtung der Gesetzgebung vorgesehen.

Pro-europäisch heißt aber auch, nationale Souveränität teilweise an die EU abzugeben, wie Ministerpräsident Adrian Nastase betont: "Als Folge der Politik vor 1989 hatte Rumänien eine gewisse Zurückhaltung beim Thema 'nationale Souveränität'. Der Wille zur Integration in eine starke internationale Organisation setzt jedoch eine veränderte Sichtweise voraus - die Akzeptanz der geteilten Souveränität. Wir können nicht in die EU des 21. Jahrhunderts integriert werden mit einer Auffassung von Souveränität, die noch aus dem 19. oder frühen 20. Jahrhundert stammt."

Zustimmung zum EU-Beitritt

Aus diesem Grund hat die sozial-demokratische Regierung das Referendum über den Verfassungsentwurf mit einer Volksabstimmung zum EU-Beitritt des Landes verknüpft. Ein weiteres Referendum für den Beitritt ist nicht mehr nötig, weil gemäß der neuen Verfassung eine Zwei-Drittel-Mehrheit des Parlaments ausreicht.

Das Zukunfts-Projekt schien jedoch zunächst gefährdet: Am Samstag (18.10.2003) waren nur 14 Prozent der wahlberechtigten Bürger zu den Urnen gegangen. Deshalb beschloss die Sozialdemokratische Partei (PSD) von Ministerpräsident Nastase am Sonntagmorgen (19.10.) in einer Krisensitzung Sonder-Maßnahmen: In vielen Ortschaften wurden PSD-Funktionäre beauftragt, die Menschen durch Hausbesuche zur Stimmabgabe zu bewegen. Und das bot der Opposition Anlass zu Kritik: Es wurde über fragwürdige Methoden berichtet, die Wähler an die Urnen zu bekommen. So sollen vielerorts Wahlhelfer mit mobilen Urnen unterwegs gewesen sein und die Menschen mitunter auf offener Straße aufgefordert haben, den Wahlstempel auf einen Stimmzettel zu setzen.

Auch innenpolitisch wichtig

Der liberale Oppositions-Führer Theodor Stolojan, ein Verfechter der neuen Verfassung, hatte Schwierigkeiten, den Wählern seine Sichtweise zu vermitteln. Denn für Stolojan sind nicht außenpolitische Interessen wie der Beitritt zur EU sondern die Notwendigkeit zur inneren Erneuerung ausschlaggebend für die Akzeptanz der Verfassung. "Die vorgeschlagenen Verfassungsänderungen sind sehr wichtig für Rumänien und die Rumänen", sagte er. "Wir ändern die Verfassung nicht deshalb, um Europa oder anderen zu gefallen. Wir ändern sie, weil wir eine neue Verfassung brauchen, um die Demokratie zu festigen, um die Menschenrechte in Rumänien zu stärken."

Allen Beschwörungen über die enorme Bedeutung des Referendums zum Trotz: Der allgemeine Unmut über die Politik - vor allem über die schlechte wirtschaftliche Lage - war groß. Deshalb war es sehr schwierig, die Menschen zum Urnen-Gang zu bewegen. Zwar hat sich in Rumänien nun eine Mehrheit gebildet, die einerseits die Modernisierung der institutionellen Strukturen vorantreiben will, andererseits die Anpassung an europäische Strukturen befürwortet: Für das große Zukunfts-Projekt Europa muss allerdings noch ein gutes Stück Überzeugungsarbeit geleistet werden.