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Besuch im 'Camp'

Daniel Scheschkewitz, zurzeit Heiligendamm4. Juni 2007

Das "Camp" liegt fünf Kilometer Luftlinie vom großen Sicherheitszaun um den G8-Tagungsort entfernt. Kein Luxushotel, sondern die Zeltstadt der Gipfelgegner. DW-Reporter Daniel Scheschkewitz war dort.

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Zelte der Globalisierungsgegner
Zelte der GlobalisierungsgegnerBild: DW/ Daniel Scheschkewitz

Klatschmohnwiesen. Zirkuszelte. Lagerfeuerromantik. Dann zerreisst der dröhnende Lautsprecherton die friedliche Stimmung: "Heute 12 Uhr beginnt das Aktionstraining am Infopoint!" Der Spruch wird auf Englisch wiederholt.

Im "Camp", etwa fünf Kilometer Luftlinie vom großen Sicherheitszaun um den Tagungsort des G8-Gipfels entfernt, haben mehrere tausend Globalisierungsgegner auf einer Wiese nahe dem Dorf Reddelich Quartier bezogen. Gut 3000 Globalisierungsgegner unterschiedlichster Schattierungen bereiten sich hier auf den G8-Gipfel vor - bewacht von einem Mannschaftswagen der Polizei.

G8 Heiligendamm Impressionen Info Point
Hier beginnt das AktionstrainingBild: DW/Daniel Scheschkewitz

Das "Aktionstraining" bedeutet Training für Blockadeaktionen, mit denen der Ablauf des Gipfels massiv gestört werden soll. Das Camp ist eine Ansammlung von autonomen Gruppen. Hier weiß man, dass die brutalen Übergriffe von Rostock die Deeskalationstrategie der Sicherheitskräfte zunichte gemacht haben.

Räumung des Lagers befürchtet

Einer der Lagebewohner ist Marius Kürten. Er befürchtet nun die Räumung des Lagers, wegen der heftigen Ausschreitungen in Rostock: "Wir bereiten uns im Moment auf einen Sturm unseres Lagers durch die Polizei vor. Wir glauben, dass die Polizei versucht, die Teilnehmerzahl für die folgenden Proteste zu verringern, indem sie das Lager stürmt und somit die Straftäter der letzten Demonstrationen festnimmt." Tatsächlich vermutet auch er, dass auch gewaltbereite Autonome aus dem In-und Ausland Unterschlupf in diesem Lager gefunden haben.


Am Eingang des Camps ermuntert ein Banner in mehreren Sprachen zum Widerstand. Der Polizei hält man ein Spruchband entgegen auf dem steht: "Ihr habt Bereitschaft - wir haben Spaß.“

Gespannte Stimmung

Im Lager sind entspannte Reggaeklänge zu hören. Doch die relaxte Musik täuscht – die Stimmung im Lager der Gipfelgegner ist gespannt. Man betrachtet den drei Fussballfelder grossen Zeltplatz als besetztes Gebiet, auf dem die Sicherheitskräfte nichts zu suchen haben. Die warten noch in einiger Entfernung an einer Straßenkreuzung vor der Zufahrt zum Camp. Aber auch ihnen dürfte nicht entgangen sein, was einige der Anwohner beobachtet haben.

Gabi Baumgart sitzt in der Geschäftsführung einer Fensterfirma, die an das Lager angrenzt. Sie berichtet: "Wir haben gesehen, dass Barrikaden errichtet wurden, damit hier keine Presse und keine Polizei durchfahren kann. Was sich im Moment für Leute im Camp tummeln, das können wir nicht mehr sagen. Die Vorhut, die da war, war super, die waren toll, das waren ganz friedliche nette Leute." Aber das habe sich geändert, berichtet die Frau: "Wir haben schon ein paar Sachen beobachtet, mit denen wir nicht einverstanden sind. Wir hatten gerade eine Leitungssitzung in den oberen Etagen der Betriebes, und da haben wir gesehen, dass fünf Leute in die Büsche gegangen sind mit der Steinschleuder und trainiert haben." Fünf Leute. Auch wenn es nur wenige sind. Den Anwohnern bereitet ihre Anwesenheit ein mulmiges Gefühl.

Die meisten Globalisierungsgegner hegen hier zweifellos friedliche Absichten. Aber sie sind nicht unbedingt bereit, sich von den gewaltbereiten Demonstranten zu distanzieren - nicht um jeden Preis. Die Schuld an den Auseinandersetzungen des vergangenen Wochenendes gibt man der Polizei, auch wenn man weiß, dass viele der zuletzt errungenen Sympathien in Teilen der Bevölkerung durch die Gewalt zunichte gemacht wurden.