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Rugova ohne Mehrheit

Adelheid Feilcke-Tiemann10. Januar 2002

Der Kosovo ist noch immer ohne einen Präsidenten. Ibrahim Rugova ist an seiner Kompromissunfähigkeit gescheitert. Adelheid Feilcke-Tiemann kommentiert.

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Fühlte sich als Sieger und verlor: Ibrahm RugovaBild: AP

"Starrköpfigkeit bringt keinen Segen", sagt ein albanisches Sprichwort. Und diese bittere Lektion hat am Donnerstag (10.1.) auch Ibrahim Rugova gelernt, als er im dritten Wahlgang erneut als Präsidentschaftskandidat scheiterte. Seit zwei Monaten hatte er sich und seine Partei (LDK), die als Sieger aus den ersten demokratischen Wahlen im Kosovo hervorgegangen war, starrköpfig in eine Situation hineinmanövriert, die mit diesem kläglichen Scheitern enden musste.

Die stärkste Partei ohne Regierungsgewalt

Allen internationalen Vermittlungsversuchen zum Trotz gelang es der Demokratischen Liga Rugovas bisher nicht, ihren legitimen Regierungsauftrag als stärkste Partei zu fairen Koalitionsverhandlungen zu nutzen. Ohne Koalitionszusagen an andere albanische Parteien, das serbische Bündnis "Rückkehr" oder die anderen Minderheitenparteien ging Rugova ins Rennen und erhielt hierfür am Donnerstag die Quittung. Denn es war klar: Keine Partei war bereit ihm ohne Zusagen für die spätere Regierungsbildung ihre Stimme zu geben. Rugovas Starrköpfigkeit, mit der er in zehn Jahren der Krise unerschütterlich seine führende Position in der kosovarischen Politik gesichert hatte, hat ihn nun im demokratischen Prozess vorerst zu Fall gebracht.

Kompromisse sind gefordert

Wo klare Mehrheiten fehlen, müssen Kompromisse geschlossen werden. Doch das Einmaleins für erfolgversprechende Koalitionen – faire Verhandlungen und verbindliche Zusagen – sind im Kosovo noch nicht eingeübt. Zwei Monate nach den erfolgreichen ersten Parlamentswahlen steht die politische Szene im Nachkriegskosovo immer noch hilflos vor dem Ergebnis: Weder mit den anderen albanischen Parteien noch mit dem serbischen Bündnis "Rückkehr" wollte Rugova einig werden. Für die beiden anderen albanischen Parteien war Rugovas Ansatz inakzeptabel, alle drei Spitzenämter – Präsident, Ministerpräsident und Parlamentspräsident – für sich zu beanspruchen. Die beiden jungen, aus der UCK-hervorgegangenen Parteien AAK und PDK forderten ebenfalls Spitzenposten in einer Koalitionsregierung, worauf sich Rugova nicht einlassen wollte. Und ein Bündnis mit dem Serben scheiterte an deren Forderung, dass Rugova auf die Forderung nach Unabhängigkeit verzichten sollte, was dieser ebenfalls nicht akzeptieren wollte.

Am offensichtlichen Dilemma ist auch die UN-Verwaltung mit schuld. Denn das gesamt Prozedere, das zu der derzeitigen Patt-Situation führte, wurde von der UNMIK (United Nations Mission in Kosovo) festgelegt. Es sieht die Wahl eines Präsidenten mit mindestens 61 Stimmen zwingend vor. Erst dieser Präsident kann den Regierungsauftrag erteilen. Eine Minderheitsregierung, die vielleicht einen Ausweg böte, ist nicht vorgesehen.

Eine letzte Chance für Rugova?

Was nun? Es müssen neue Kandidaten ins Rennen. Doch schon munkelt man, dass es für Rugova eine Ausnahmeregelung geben könnte, noch einmal anzutreten. Ob dies sinnvoll ist, scheint nach den bisherigen Wahlgängen zweifelhaft. Neben der Demokratischen Liga hat auch Hashim Thacis Demokratische Partei das Recht für eine Kandidatur. Die international geachtete Menschenrechtlerin Flora Brovina ist deren Kandidatin, die bisher wegen der Kritik am Verfahren nicht angetreten war.

Manche Überraschung ist jetzt wieder möglich, nachdem Rugova vielfach schon voreilig zum ersten Präsidenten eines demokratischen Kosovo erklärt worden war. Seine persönlichen Chancen sind nach dem Desaster am Donnerstag auf dem Tiefpunkt. Er und seine Partei sollten die politisch richtigen Konsequenzen ziehen, pragmatisch und ohne Starrköpfigkeit. Die heutige Lektion sollte nicht zum Schaden für den Demokratisierungsprozess sein. Sie traf Rugova, geht aber an alle Parteien: Ohne Kompromisse wird Kosovo noch lange ohne Präsident bleiben.