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Nichts geht mehr in Russland

29. Juni 2009

Roulette, Blackjack und die einarmigen Banditen werden in Russland verbannt: Ab dem 1. Juli 2009 ist Glücksspiel nur noch in vier Randgebieten des Landes legal. Die Folgen dieses Banns: Arbeitslosigkeit und Abwanderung.

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Roulette (Foto: dpa)
"Nicht geht mehr" - in Russland allerdings für die CroupiersBild: dpa - Bildfunk

Die Kugel rollt in der Rouletteschüssel, die Jetons sind gesetzt. "Nichts geht mehr", sagt Croupier Dmitrij Menschikow im Moskauer Kasino "Korston". Noch steht er am Roulettetisch in diesem Kasino, das zu den größten in Europa gehört. Doch ab dem 1. Juli 2009 heißt es auch für ihn und seine Kollegen "Nichts geht mehr". Denn dann tritt das neue Glücksspielgesetz in Kraft.

Ein Mittel zum Zweck

Ingesamt verlieren geschätzte 500.000 Beschäftigte der Branche im Land ihren Job. Das hätte Dmitrij sich nicht träumen lassen, als er sich vor sechs Jahren das erste Mal hinter den Roulettetisch stellte. "Ein Job in der Glücksspielindustrie galt bisher immer als absolut krisensicher. Selbst in der großen Krise von 1998, als der Rubel und die ganze russische Wirtschaft abstürzten, wurden in Kasinos Löhne ausgezahlt", erzählt er.

Das Gesetz geht auf den damaligen Präsidenten Wladimir Putin zurück: Er wollte die steigende Spielsucht seiner Landsleute bekämpfen. Doch einige russische Journalisten vermuteten schon damals andere Gründe: Zwischen Russland und Georgien schwelte ein Konflikt – die Georgier warfen Russland Spionage vor. Da viele Georgier die russische Glücksspielindustrie kontrollierten, wollte Russland das Nachbarland mit dem neuen Gesetz in die Schranken weisen, spekulierte man in Moskau.

Verschiebung in die Illegalität

Lisandro Platzer (Foto: DW)
Fürchtet ein Abdriften in die Illegalität: Lisandro Platzer, Vize-Präsident der Kasinogruppe KorstonBild: DW/Aden

Doch Lisandro Platzer, Vizepräsident vom Kasino- und Hotelbetrieb "Korston", befürchtet ganz andere Folgen des Gesetzes: Große Teile der Glücksspielbranche würden in die Illegalität gleiten, vermutet er. "Darum verstehe ich nicht, warum das Gesetz in so strenger Form verabschiedet wurde – mit dem Kampf gegen Prostitution und Drogenhandel haben die Behörden in Russland schon genug zu tun und wenig Erfolg", sagt er.

Die Spielhallen vom "Korston"-Kasino werden ab dem 1. Juli 2009 zu einem Musical- und Theatersaal, einer Golfhalle und einem Kinderspielplatz umgebaut. Die meisten der 1000 Angestellten werden wahrscheinlich ihre Jobs verlieren. Denn in den vier Glücksspiel-Sonderzonen, die dann noch erlaubt sind, gibt es nicht einmal die nötigen Kasinos: Wladiwostok im fernen Osten, Asow im Südwesten, die Enklave Kaliningrad und das sibirische Altai-Gebiet sind noch weit davon entfernt, die russische Version von Las Vegas zu werden. Diese Erfahrung musste auch Lisandro Platzer machen. Er hat ein Stück Land in einer der Sonderzonen beantragt. "Aber bisher ist nicht einmal klar, wie hoch die Steuern dort sein werden", beschwert er sich. Es gebe keine Infrastruktur und keinen Strom. "Im Moment investieren wir deshalb lieber ins Ausland. Wir haben gerade in Montenegro ein Kasino gekauft, da ist alles bereit."

Angst vor der Arbeitslosigkeit

Blick auf das Moskauer Kasino Korsto (Foto: DW)
Durch das neue Gesetz bedroht: das Moskauer Kasino KorstoBild: DW/Aden

Eine Ausnahme gibt es jedoch von dem Gesetz: Das Pokerspielen ist auch nach dem 1. Juli 2009 außerhalb der Sonderzonen erlaubt – wenn es als Sport betrieben wird. Einige Branchenexperten glauben deshalb, dass viele Kasinos im Land diese Regelung als Schlupfloch nutzen und nach einer Phase der Umstrukturierung neu eröffnen könnten.

Doch nicht alle wollen auf Poker setzen - gerade wurden in Russland zehn Prestigebauprojekte wegen des neuen Gesetzes eingefroren. "Die Stimmung hier ist natürlich nicht besonders gut. Ausgerechnet in Zeiten der Krise ist es hier in Russland nicht einfach, einen neuen Job zu finden, geschweige denn einen ganz neuen Beruf", sagt Dmitrij. Von den Umschulungsmaßnahmen, die die Regierung versprochen hat, haben er und seine Kollegen noch nichts gesehen. Was auch immer die Hintergründe des russischen Glücksspielbanns waren: Für die Kasino-Beschäftigten ist der Einsatz hoch – Chancen zu gewinnen haben sie kaum.

Autorin: Mareike Aden
Redaktion: Julia Kuckelkorn / Mareike Röwekamp