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Immer mehr Krisen - zu wenig Geld

Manuela Kasper-Claridge/dk19. August 2015

Weil es weltweit immer mehr humanitäre Katastrophen gibt, bemüht sich das Rote Kreuz intensiv um mehr Geld. Nur so, sagt IKRK-Finanzdirektorin Helen Alderson, könne das Rote Kreuz seinen Aufgaben gerecht werden.

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Rotes Kreuz im Jemen
Bild: AFP/Getty Images/M. Huwais

DW: Hat sich die finanzielle Situation des Internationalen Komitees vom Roten Kreuz (IKRK) in den letzten Jahren verändert?

Helen Alderson: Es wird immer schwieriger. Wir haben heute das größte Budget seit dem Zweiten Weltkrieg, aber auch die höchsten Ausgaben. Wir nehmen auch mehr Geld ein als jemals zuvor und erwarten dennoch ein Rekorddefizit.

Können Sie das in Zahlen ausdrücken?

Was das erwartete Defizit angeht: Nein, wir haben ja gerade einmal die erste Jahreshälfte hinter uns gebracht. Wir bemühen uns, das Defizit zu minimieren, aber unsere Organisation ist in den vergangenen 15 Jahren enorm gewachsen, vor allem in den beiden vergangenen Jahren. Das kommt daher, dass die humanitäre Not zunimmt und die Anforderungen, die an uns gestellt werden, immer komplexer werden. Aber wir sehen, dass das IKRK an den schwierigsten Krisenherden dieser Welt arbeiten und den Opfern von Konflikten Hilfe und Schutz bieten kann.

Wie groß ist Ihr Budget?

Wir haben einen Einsatz-Etat von 1,6 Milliarden Schweizer Franken und einen Verwaltungsetat von rund 200 Millionen Schweizer Franken. Unser Gesamtbudget liegt also etwas unter zwei Milliarden Franken, das entspricht rund 1,8 Milliarden Euro.

Wie hoch wäre Ihrer Ansicht nach ein ausreichendes Budget?

Unser gegenwärtiges Budget basiert auf unseren Aufgaben und mehr noch auf unseren Möglichkeiten, ihnen gerecht zu werden. Da gibt es verschiedene Herausforderungen, wie zum Beispiel der Zugang zu den Opfern und die Sicherheit unserer Mitarbeiter - das wird möglich, wenn uns die Konfliktparteien akzeptieren. Das geschieht in vielen Fällen, aber nicht immer und überall. Die zweite große Herausforderung ist, die richtigen Menschen zu finden, die die Arbeit auch bewältigen können. Wir brauchen mehr Mitarbeiter, wir brauchen erfahrene Manager, Gesundheitsexperten, Logistiker und so weiter - das ist eine wirkliche Herausforderung. Drittens muss das Spendenaufkommen mithalten. Alles beruht auf Spenden. Wir sind eine Non-Profit-Organisation, die Spenden braucht, um ihre Aufgaben wahrnehmen zu können. Und wer brauchen in diesem Jahr mehr Spenden.

Wie sehr belastet beispielsweise die syrische Flüchtlingskrise ihr Budget?

Wir arbeiten intensiv in Syrien selbst, aber auch in Jordanien und dem Libanon. Syrien ist unsere größte Operation mit einem Budget von 147 Millionen Euro.

Wie entwickeln sich die privaten Spenden?

Unser Geld kommt hauptsächlich aus staatlichen Quellen, aber die privaten Zuwendungen steigen. Wir arbeiten sehr eng mit unseren nationalen Organisationen zusammen. In Deutschland etwa sammelt das Deutsche Rote Kreuz Spenden ein. Wir helfen ihnen beim Spendensammeln und sie arbeiten mit uns zusammen, wenn wir dieses Geld auch wieder ausgeben. Es gibt viele private Spender, die auf Spendenaufrufe reagieren und die auch online spenden. Viele Zuwendungen kommen auch von Firmen oder Stiftungen. Es gab in diesem Jahr viele Bitten um Hilfe: wegen des Nahen Ostens, des Erdbebens in Nepal oder den Überschwemmungen in Myanmar.

Kommt aus Deutschland viel Geld?

Deutschland gehört zu den zehn größten Unterstützern des IKRK und wir stehen in regelmäßigem Kontakt mit der deutschen Regierung. Die hat einen gesonderten Etat für Humanitäre Hilfe und wir gehören zu den Hauptempfängern dieses Geldes.

Sammeln Sie auch Geld über die sozialen Medien ein oder finden Sie neue Wege der Finanzierung?

Wir sind eine sehr bekannte Organisation - jeder kennt das Rote Kreuz. Aber wir haben eine sehr fragmentierte Struktur mit jeweils verschiedenen Organisationen in jedem Land. Auch beim Spendensammeln über die neuen Medien, beim Crowd-Funding etwa, profitieren wir von unserem bekannten Namen, aber das ist noch ein recht neuer Weg. Dabei müssen wir noch enger mit den nationalen Rot-Kreuz-Gesellschaften zusammenarbeiten - wie in Deutschland.

Was ist gegenwärtig die größte Herausforderung?

Um unsere Aufgaben erledigen zu können, müssen wir von verschiedenen Konfliktparteien akzeptiert werden. Im Kongo beispielsweise gibt es 30 bis 40 verschiedene Gruppen und ständig kommen neue hinzu. Wenn wir dort von einem Punkt zu einem anderen kommen wollen, müssen wir ständig irgendwelche Checkpoints passieren. Da müssen die verschiedenen Gruppen wissen, wer wir sind und was wir tun, und sie müssen uns auch unterstützen, damit wir unsere Arbeit erledigen können. Wir setzen unsere Mitarbeiter in einem sehr schwierigen Umfeld ein, da ist es sehr wichtig, dass sie auch kompetent sind. Wir schicken sie an sehr gefährliche Orte - da können sie nicht unbedingt ihre Familien mitbringen. Es gibt dort strikte Sicherheitsstrukturen und sie haben kaum ein Leben neben ihrer Arbeit. Unsere Mitarbeiter sind hochmotiviert, aber es ist eben nicht einfach. Und wir brauchen mehr Geld.

Helen Alderson, Mitglied im IKRK-Direktorium am Sitz der Organisation im schweizerischen Genf, ist dort verantwortlich für Fundraising, Finanzverwaltung und Logistik.

Das Interview, das hier in gekürzter Fassung veröffentlicht wird, hat Manuela Kasper-Claridge geführt.