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Rote Karte für Zwangsprostitution

Sabine Ripperger27. Februar 2006

Die Fan-Massen bei der Fußball-WM werden auch die Nachfrage nach sexuellen Dienstleistungen enorm steigen lassen, vermuten Experten. Deshalb haben mehrere Organisationen eine Kampagne gegen Zwangsprostitution gestartet.

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Eine Kampagne soll rotlichtfreudige Fußball-Fans bei der WM aufklärenBild: dpa

Manche Leute gingen davon aus, im wohlgeordneten Europa gebe es so etwas gar nicht, und deswegen brauche man sich auch nicht darum zu kümmern. Andere hielten es nur für ein "Kavaliersdelikt", kritisiert Heide Simonis, die Schirmherrin der Kampagne "Stoppt Zwangsprostitution!" und Vorsitzende von UNICEF Deutschland. Die Kampagne wolle die Freier von Prostituierten dazu bringen, "sich Gedanken darüber zu machen, was sie eigentlich nachfragen" und "auf jeden Fall darauf zu achten, dass nicht Frauen, junge Mädchen dazu gezwungen werden, einer Tätigkeit nachzugehen, die entwürdigend, entmenschlichend ist."

"Menschenhandel zerstört Leben"

Kampagne gegen Zwangsprostitution während der Fußball-WM
Die Aktion soll Männer nachdenklich machen - über eine Hotline können sie Verdachtsfälle melden

Je mehr Leute ein Gefühl dafür bekämen, ob etwas nicht in Ordnung ist, desto leichter werde es, den betroffenen Frauen ihre "Freiheit" wiederzugeben. Da ist sich Simonis einig mit Elvira Niesner vom Verein "Frauenrecht ist Menschenrecht" (FIM), der die Kampagne koordiniert: "Wir erleben im Arbeitsalltag tagtäglich hautnah, wie das Leben von jungen Frauen als Opfer von Menschenhandel zerstört wird", berichtet Niesner.

Die Gewerkschaft der Polizei, die die Kampagne ebenfalls unterstützt, sieht gesetzlichen Handlungsbedarf. Als beschämend bezeichnete ihr Vorsitzender Konrad Freiberg das Strafmaß für Zuhälterei und den Umgang mit den Opfern. Es gehe nicht nur um Ermittlungen durch die Polizei, so Freiberg. Nötig sei mehr internationale Zusammenarbeit, vom Zoll bis zu Steuer- und Finanzbehörden. Er forderte schließlich die Einführung der Kronzeugenregelung bei Menschenhandel.

Andrang aus Osteuropa

Regina Kalthegener von "Terre des femmes" hat die Befürchtung, dass zur Fußball-WM vermehrt Frauen aus Osteuropa nach Deutschland gebracht würden. Als Anwältin kennt sie Fälle von Zwangsprostitution. Ihre Mandantinnen waren häufig gerade einmal 20 Jahre alt - wie eine Ukrainerin, die 2004 nach Deutschland gebracht wurde. "Sie wurde dann gefügig gemacht und war erpressbar, weil sie einen kleinen Jungen hat", berichtet Kalthegener.

Die junge Frau hatte Glück, weil sie in einem Bordell einen Stammkunden hatte, dem ihre Traurigkeit und auch ihre Verletzungen auffielen, und der dann hartnäckig nachfragte. Der Freier wandte sich schließlich an die Polizei.

Aufklärung auf Bierdeckeln

Kampagne gegen Zwangsprostitution während der Fußball-WM
Mehrere Organisationen lassen Bierdeckel, Streichholzschachteln und Postkarten bedrucken

Die Kampagne wird von einem Netzwerk aus regionalen und überregionalen Partnerorganisationen getragen, u.a. beteiligen sich die Evangelische Frauenarbeit Deutschland (EFD) und Terre des femmes, aber auch Beratungsstellen zu Menschenhandel und Zwangsprostitution. Auch Fußballspieler, wie die Ball-Legende a.D. Siggi Held, unterstützen die Kampagne. Die potenziellen Kunden, sollen nach Angaben der Organisatoren auf Plakaten, Flyern, Postkarten, Streichholzschachteln und Bierdeckeln auf das Problem aufmerksam gemacht werden. Über eine Hotline können sie anonym ihren Verdacht melden. Schwerpunkt der Kampagne sind die Austragungsorte der WM-Spiele wie Hamburg, München, Berlin, Frankfurt oder Leipzig.

Auf die Frage, welchen Erfolg sie sich von der Aktion verspreche, erinnert die Terre des Femmes-Vertreterin Kalthegener an eine ähnliche Kampagne ihrer Organisation 1999 - zwar im kleineren Rahmen, aber auch mit einer Hotline. Damals seien viele Männer tatsächlich nachdenklich geworden und hätten von Frauen erzählt, bei denen ihnen der Verdacht der Zwangsprostitution kam. Kalthegener findet deshalb: "Es macht schon Sinn und es ist immer einen Versuch wert."