1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Rote Karte für Rassisten

9. September 2009

Der deutsche Fußballbund ehrt Fans, die Rassismus bekämpfen. Eine Reaktion auf die eigene Vergangenheit während der Nazi-Zeit. Ein Fußballer, der damals leiden musste, war Julius Hirsch. Seine Karriere endete im KZ.

https://p.dw.com/p/JY8K
Schiedrichter hält rote Karte hoch (Foto: dpa)
Bild: PA/dpa

Afrikanische Fußballer betreten den Rasen des Stadions und aus dem Fanblock ertönen Affenrufe – das war einmal, sagt Aljoscha Langfort, der Sprecher von „96-Fans-gegen-Rassismus“. Solche rassistischen Verunglimpfungen gegen Menschen mit einer anderen Hautfarbe seien inzwischen weitgehend verstummt. Gerade die Fans von Hannover 96 galten früher als tendenziell rechtsextrem, aber das habe sich verändert. Unter anderem durch das hannoversche Fanprojekt, das seit fast 25 Jahren die Anhänger betreue und gegen rassistische Äußerungen vorgehe. Aljoscha Langfort räumt zwar ein, dass Spieler von einzelnen Fans noch immer als „Zigeuner“ oder „Juden“ beschimpft würden. Aber aus den Reihen der aktiven Fanszene würden solche Leute schnell zurechtgewiesen.

Verbände im Nazi-Gleichmarsch

Julius Hirsch in der deutschen Fußball-Nationalmannschaft von 1912 (Foto: ASA)
Julius Hirsch in der deutschen Fußball-Nationalmannschaft von 1912Bild: picture-alliance/ dpa/dpaweb

Das hannoversche Fanprojekt wird jetzt für sein jahrelanges Engagement vom Deutschen Fußballbund (DFB) geehrt, vor dem WM-Qualifikationsspiel der deutschen Nationalmannschaft gegen Aserbaidschan. Zusammen mit Fangruppen von 1860 München und Carl Zeiß Jena bekommen sie den so genannten Julius-Hirsch-Preis, der mit insgesamt 20.000 Euro dotiert ist. Der Preis wurde vor vier Jahren vom DFB ins Leben gerufen und ehrt Initiativen, die sich im Fußball für Freiheit, Toleranz und Menschlichkeit einsetzen.

Die Auszeichnung erinnert an den jüdischen Fußballer Julius Hirsch. Mit 19 Jahren trug er schon das Trikot der deutschen Nationalelf, war Mitglied des Karlsruher Fußballvereins und verlor nach der Machtergreifung der Nationalsozialisten seinen Job. Denn schon 1933 schlossen die süddeutschen Fußballvereine ihre jüdischen Mitglieder in vorauseilendem Gehorsam aus. Julius Hirsch wurde schließlich 1943 nach Auschwitz deportiert und dort ermordet.

Stadionbühne mit Plakaten auf den "Gemeinsam gegen Rassismus" steht (Foto: Fanprojekt Hannover)
Bild: Fanprojekt Hannover

Den Preis, der seinen Namen trägt, gibt es erst seit vier Jahren. Eine historische Untersuchung hatte die dunklen Kapitel des DFB während des Nationalsozialismus beleuchtet und veröffentlicht. Der Julius-Hirsch-Preis sei eine Reaktion auf das Versagen der Fußballverbände während der nationalsozialistischen Herrschaft, sagt Valentin Schmidt, der Sportbeauftragte der Evangelischen Kirche in Deutschland. „Es ist kein Geheimnis, dass auch die Fußballverbände nicht gerade widerstandsfreudig gegenüber dem gleichmacherischen Tun in der nationalsozialistischen Zeit waren.“ Valentin Schmidt ist eins von 13 Jury-Mitgliedern des Julius-Hirsch-Preises. Zur Jury gehören unter anderem auch Charlotte Knobloch, die Vorsitzende des Zentralrates der Juden und Andreas Hirsch, ein Enkel des jüdischen Nationalspielers.

Information, Diskussion, Besichtigung

Fan mit Schal und dem Text "Gegen Rassismus" (Foto: Fanprojekt Hannover)
Bild: Fanprojekt Hannover

Einer der diesjährigen Preisträger, das Fanprojekt Hannover, gehört zu den ältesten Fanprojekten in Deutschland. Seit Mitte der 1980er Jahre wenden sich die 96-Fans gegen Gewalt und Rassismus in ihrer Arena. Dabei setzen die Mitarbeiter des Fanprojekts vor allem auf Präventivarbeit mit Jugendlichen. So fuhren sie unter anderem zusammen mit Fans und Bundesligaspielern zur KZ-Gedenkstätte nach Bergen-Belsen. Im Stadion-Alltag setzen die Mitarbeiter des Projektes vor allem auf Diskussionen unter den Fans über Rassismus und Gewalt auf den Stadionrängen. So haben sie bei Hannover 96 eine neue „Hausordnung“ durchsetzen können. Symbole und Schriften, die einen rechtsextremen Hintergrund auch nur andeuten, sind inzwischen verboten.

Autor: Michael Hollenbach

Redaktion: Marlis Schaum