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EU-Gipfel berät Energiepreise

Bernd Riegert22. Mai 2013

Die Europäische Union will Energie billiger machen, damit die Industrie international mithalten kann. Wie das gehen soll, ohne Umwelt und Klima zu belasten, ist umstritten. Kommt das Ende für die Energiewende?

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Weit in den von noch Regenwolken verhangenen Himmel ragen die Wasserdampf-Fahnen des Kohlekraftwerks (Foto: DPA)
Bild: picture-alliance/dpa

Erneuerbare Energien aus Wind, Sonne und Wasser sollen in Europa weiter gefördert werden, so EU-Kommissar Günther Oettinger. Die klimaschädlichen Abgase sollen weiter reduziert werden und bis 2020 sollen 20 Prozent des Bedarfs aus erneuerbaren Energien gedeckt werden, sicherte der Energie-Kommissar zu. "Eine erneute Wende in der Energiepolitik findet nicht statt", sagte Oettinger im deutschen Fernsehen ARD. Aber man müsse einen Weg finden, um die Energiepreise in Europa vor allem für Industrie und Gewerbe zu senken.

Die Staats- und Regierungschefs der Europäischen Union erklärten bei ihrem Gipfeltreffen am Mittwoch (22.05.2013), die hohen Energiekosten in Europa würden die Wettbewerbsfähigkeit beeinträchtigen. Sie beauftragen deshalb die EU-Kommission und Energie-Kommissar Oettinger einen Bericht vorzulegen, der aufzeigt, warum die Energiepreise ansteigen und welches Land in der EU wie betroffen ist. Dieser Bericht soll erst bis zum Ende des nächsten Jahres vorliegen. Außerdem müsse geklärt werden, wie die hohen Investitionen in den Ausbau der europäischen Energienetze finanziert werden sollen.

"Industrie in Europa halten"

Der europäische Unternehmerverband "Business Europe" hatte in einem Brief Erleichterungen für Industriezweige gefordert, die besonders viel Energie zur Produktion brauchen. Was für die Wirtschaft gut sei, nutze auch den Arbeitnehmern, sagte EU-Kommissar Günther Oettinger. Er schloss nicht aus, dass die Kosten am Ende bei privaten Stromverbrauchern landen könnten. "Der Verbraucher ist auch Arbeitnehmer. Und wir müssen wollen, dass Stahl und Aluminium oder auch Keramik, Industrietextilen, Chemie und Chlorchemie in Europa erhalten bleiben. Deswegen brauchen wir gerade für diese industrielle Wertschöpfung bezahlbare Energie, im Interesse von Arbeitnehmern und damit für die wirtschaftliche Entwicklung in Europa insgesamt."

Energie-Kommissar Oettinger (Foto: DPA)
Auf die Industrie achten: Energie-Kommissar OettingerBild: picture-alliance/dpa

Der luxemburgische Regierungschef Jean-Claude Juncker sagte beim Gipfeltreffen in Brüssel, die EU müsse darauf reagieren, dass zum Beispiel der Gaspreis in den USA nur ein Viertel von dem in Europa betrage. In den USA wird in großem Umfang Gas gefördert, das in Gestein eingeschlossen ist. Bei der Förderung, dem so genannten "Fracking", werden große Mengen an Chemikalien in den Boden gepumpt. Diese könnten nach Ansicht von Umweltschützern eine Gefahr für das Grundwasser darstellen. Die Staats- und Regierungschefs der EU sprechen sich dennoch dafür aus, die Möglichkeiten für Fracking und Schiefergas-Abbau in Europa zu erkunden. "Da werden Polen, die Ukraine und England vorausgehen. Und man sollte durch Probebohrungen in den nächsten Jahren mit aller Vorsicht die Chancen und die Kosten ergründen und die Option wahren. Ich glaube, dass Fracking eine Option für ganz Europa sein kann", sagte Günther Oettinger.

Windpark / Windkraftanlagen, Hochspannungsmasten (Foto. DPA)
Teure Investionen in das europäische Stromnetz werden in den nächsten Jahren nötig: Wer soll zahlen?Bild: KfW-Bildarchiv / Fotograf: Thomas Klewar

"Frontalangriff auf bisherige Energiepolitik"

Die Fraktionsvorsitzende der grünen Umweltpartei im Europäischen Parlament, Rebecca Harms, warnte in einer Pressekonferenz, Rezepte aus den USA einfach nach Europa zu übertragen. Die Kosten für eine Umweltverschmutzung und Genehmigungsverfahren müssten stärker berücksichtigt werden. Das vorgestellte Konzept der Staats- und Regierungschefs sei ein "Frontalangriff" auf die bisherige Klima- und Energiepolitik. Auch die Förderung von Atomenergie aus EU-Mitteln sei ein Fehler so Rebecca Harms. Rund die Hälfte der EU-Mitgliedsstaaten betreibt Atomkraftwerke. Deutschland will nach einer energiepolitischen Wende in Folge des Atomunfalls in Fukushima aus der Atomenergie ganz aussteigen. In Großbritannien dagegen wird ein neues Atomkraftwerk gebaut. Die EU-Mitgliedsländer entscheiden selbst, wie sie Energie erzeugen und wie sie die Klimaziele erreichen. Brüssel gibt nur Sicherheitsvorschriften und Rahmendaten vor.

Klimapolitik gegen Industriepolitik

Der luxemburgische Premierminister Jean-Claude Juncker sagte bereits vor dem Gipfeltreffen in Brüssel, die Energiekosten seien zu hoch. Die Wirtschaftskrise in Europa könne auch durch eine Senkung der Strom-, Gas-, und Wärmekosten bekämpft werden. Allerdings dürfe die Klimapolitik nicht auf dem Altar der Wachstumspolitik geopfert werden. Die Wirtschaftskrise werde irgendwann vorbei sein, so Juncker, die Klimakatastrophe gehe nicht so einfach vorbei. "Man darf jetzt nicht unter dem Eindruck der Wirtschafts- und Finanzkrise den Klimaschutz kleiner schreiben. Aber trotzdem muss man sehen, dass es nicht so sein kann, dass wir klimapolitisch die Führung übernehmen während andere sich zurücklehnen und nichts tun." Klima sei eine globale Herausforderung. Man müsse das global angehen, sagte Juncker. Mit seiner Kritik hat Juncker vor allem die USA und aufstrebende Schwellenländer im Blick.

Die Europaabgeornete Rebecca Harms (90/Grüne), Vorsitzende der Grünen-Fraktion (Foto: DW)
Fracking ist nicht billig: Rebecca HarmsBild: DW/Z. Butyrskyi

In Sachen Energiepolitik gibt sich die grüne Europaabgeordnete Rebecca Harms kämpferisch. Man dürfe nicht hinter die einmal erreichten klimapolitischen Ziele zurückgehen. "Ich mache mich bereit für eine große Auseinandersetzung in der Europäischen Union und in den Mitgliedsstaaten zwischen Grünen, vernünftigen Energie- und Klimapolitikern und diesen Fossilen, die versuchen, das Rad in der Energiepolitik zurückzudrehen." Mit dem Begriff "Fossil" meinte Rebecca Harms vor allem EU-Industriekommissar Antonio Tajani. Der italienische Kommissar hatte sich bei einer Konferenz in Perugia am Dienstag erneut gegen eine Verschärfung der Klimaziele ausgesprochen. "Dies würde für die europäischen Unternehmen höhere Kosten bedeuten. Letztlich könnten sie Europa den Rücken kehren", warnte Tajani.