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Angst vor der "Samtenen Revolution"

Thomas Kohlmann25. Februar 2016

Die Iraner hoffen auf ein Ende der wirtschaftlichen Isolation ihres Landes. Warum die Machthaber eine Normalisierung des Verhältnisses zum Westen aber so fürchten, erklärt Iran-Experte Bahman Nirumand im DW-Interview.

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Iran Wochengalerie KW 34
Präsident Hassan Rohani (re.) mit Irans Revolutionsführer Ali ChameneiBild: Mehr

Die Erwartungshaltung der Menschen im Iran ist nach dem Ende des Atomstreits riesig. Was muss Rohani tun, dass es nach dem Ende der Sanktionen zu einem Wirtschaftsaufschwung kommt, von dem die Mehrheit der Iraner profitiert?

Das größte Problem der iranischen Wirtschaft, die sich ja bereits vor der Verhängung der Sanktionen in einer Krise befand, ist die gesamte Verwaltungsstruktur, die nicht funktioniert. Und noch viel wichtiger und viel hemmender ist die Korruption, die im Iran sehr, sehr weit verbreitet ist. Rohani müsste eine sehr gründliche Verwaltungsreform durchführen. Er müsste die Korruption bekämpfen. Er müsste alle Kräfte ausschalten, die über große Macht verfügen, um seine Pläne durchführen zu können. Und das scheint mir vorläufig kaum machbar. Er kann gewisse Schritte machen, gewisse Veränderungen herbeiführen, aber so eine grundsätzliche Reform wie eine Verwaltungsreform kann er nicht schaffen.

Rohani hofft natürlich auf ausländische Investitionen. Doch da gibt es sehr mächtige Kräfte, die die Befürchtung haben, mit dem ausländischen Kapital wird auch eine kulturelle Unterwanderung im Land stattfinden. Und sowohl Revolutionsführer Chamenei als auch andere rechte Kräfte haben davor gewarnt, dass das die größte Gefahr sei, die die Islamische Republik bedroht. Diese angebliche kulturelle Unterwanderung nennen sie "Samtene Revolution".

Doch wenn man mit dem Westen Geschäfte macht, wenn man ausländische Milliarden-Investitionen in Anspruch nimmt, sei es aus Europa oder den USA, dann kann man schlecht diese Feindschaft gegen den Westen, die zu einer der wichtigsten Säulen der Islamischen Republik gehört, aufrechterhalten. All das sind ideologische und religiös verbrämte Gründe, die davor warnen, das sich das Land ausländischem Kapital öffnet.

"Eine Frage der Ideologie"

Es ist nicht nur eine Frage der Macht, sondern auch eine Frage der Ideologie. Weil die Machthaber Angst haben, die westliche Kultur und Zivilisation könnte das Fundament der Islamischen Republik zum Erzittern bringen. Und das wird auch der Fall sein, da haben sie aus ihrer Sicht tatsächlich Recht, wenn diese anti-westliche Haltung wegfallen würde, wenn man nicht mehr, wie bisher, jede Woche beim Freitagsgebet 'Tod für Amerika' rufen könnte.

Man hat seit Jahrzehnten die Bevölkerung auf eine anti-westliche Haltung getrimmt und jetzt kann man nicht plötzlich den Westen als Freund betrachten, denn dann verliert die Islamische Republik ihre ideologische Legitimität und davor haben die Machthaber sehr große Angst.

Bahman Nirumand
Iran-Experte Nirumand: "Es geht um die ideologische Legitimität der Islamischen Republik"Bild: picture-alliance/dpa-Zentralbild

Es wird geschätzt, dass bis zu hundert Milliarden US-Dollar aus dem Iran auf westlichen Konten eingefroren sind, die wohl in absehbarer Zeit wieder freigegeben werden. Was weiß man darüber, wer sich hinter diesen Konten verbirgt? Sind das staatliche Wirtschaftsstrukturen, die schon bald über das Geld verfügen können?

Iran Khamenei Revolutionsgarde
Ayatollah Ali Chamenei (re.) trifft Mitglieder der Revolutionsgarden, die an der Gefangenenahme von US-Soldaten im Persischen Golf beteiligt warenBild: MEHR

Man spricht ja sogar über mehr als 100 Milliarden US-Dollar, die auf ausländischen Bankkonten liegen. Das sind teilweise staatliche Gelder, teilweise auch Gelder von bestimmten Unternehmen und Privatpersonen. Man wird dieses Geld, was jetzt langsam teilweise frei wird - und ich weiß nicht, ob es tatsächlich so viel ist, denn die Schätzungen sind sehr unterschiedlich - erst einmal für Einkäufe im Ausland nutzen, etwa für die Airbus-Maschinen, die Rohani bestellt hat oder für die Flugabwehr-Raketen aus Russland. Das alles kostet Geld, das kostet Milliarden.

Glauben Sie, dass Rohani gegen den Widerstand der Revolutionsgarden wirklich tiefgreifende Reformen durchsetzen kann?

Im Augenblick glaube ich das nicht. Im Augenblick sind die noch zu stark, zumal Revolutionsführer Chamenei wirklich zu einem der Unterstützer der Revolutionsgarden gehört. Und auch die verschiedenen religiösen Instanzen stehen hinter ihnen. Gegen sie ist nur schwer vorzugehen und dazu ist die Regierung ohnehin nicht in der Lage. Im Vergleich zu den anderen Instanzen haben der Präsident und die Regierung sehr wenig Macht, im Vergleich zum Revolutionsführer oder im Vergleich zum Wächterrat, die alle ernannt und nicht vom Volk gewählt sind. Daher scheint es mir sehr schwer, jetzt gegen sie oder die Revolutionswächter vorzugehen.

Was möglich sein und was ich mir vorstellen kann, ist, dass es innerhalb der Revolutionswächter, innerhalb der Organistaion Widerspüche gibt, die dann allmählich wachsen und dazu führen, dass man innerhalb dieser Organisation Veränderungen herbeiführen könnte. Denn diese Revolutionsgarden sind ja nicht einheitlich. Es gibt verschiedene Fraktionen darin. Damals, zu Zeiten des reform-orientierten Präsidenten Mohammed Chatami, glaubte man, dass die Mehrheit auf Seiten der Reformer steht.
Auch heute ist es nicht hundertprozentig so, dass alle auf der Seite der Rechten stehen, sondern es gibt durchaus auch Sympathien für die Reformer innerhalb der Revolutionsgarden. Insofern kann man sich vorstellen, dass eine weitere Entwicklung schon eine Veränderung bringen könnte. Aber, dass man jetzt von außen gegen die Revolutionsgarden vorgehen könnte, das kann ich mir nicht vorstellen angesichts der Kräftekonstellation, die zur Zeit vorherrscht.