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Iren arbeiten für ein Ja

2. Oktober 2009

Im Interview erklärt Europaminister Dick Roche, warum das irische Referendum über den Lissabon-Vertrag nicht nur für Irland, sondern für die ganze EU von großer Bedeutung ist.

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Dick Roche, Minister Irland wird von DW Interviewt. (Foto: Susanne Henn)
Ohne Lissabon gibt es Stillstand in Europa, fürchtet Dick RocheBild: DW/Susanne Henn

DW-WORLD.DE: Herr Minister, was würde mit Europa passieren, wenn Irland auch diesmal wieder Nein sagt?

Dick Roche: Ich glaube, das wäre tragisch, weil der Lissabon-Vertrag ein guter Vertrag ist. Europa würde demokratischer und effizienter mit dem Vertrag. Die Grundrechte-Charta würde gelten. Das zu verlieren, wäre wirklich tragisch. Darum arbeiten die Menschen, die in Irland an Europa glauben, so wie ich selbst, sehr hart für ein Ja.

Spielen die Menschen in Irland mit dem Gedanken, die EU ganz zu verlassen? Geht es im Grunde um die Fragen Irland in und außerhalb der Union?

Nein, nein, es gibt keine Anzeichen, dass wir Europa verlassen. Meine Sorge ist aber, dass sich Europa unabweisbar ändern würde. Auf mittlere oder lange Sicht werden wir ein Europa der zwei Geschwindigkeiten bekommen, wenn wir nicht einmal den bescheidenen Wandel herbeiführen können, den der Lissabon-Vertrag verlangt. Auf kurze Sicht wäre das vor allem für die kleinen EU-Mitglieder ein Desaster. Auf lange Sicht wäre ein Schaden für das europäische Projekt unausweichlich. Ein Europa, das sich in Solidarität der Völker und Staaten einheitlich entwickelt, ist sehr viel stärker als ein Europa, das unterschiedliche Geschwindigkeiten hat.

Welche Konsequenzen hätte ein Nein für Ihre Regierung. Wäre sie gezwungen zurückzutreten?

Auf einem Bus steht "Vote on October 2nd" (Foto: Alen Legovic)
In Irland wird schon seit Tagen für Lissabon geworben - aber auch gegen den VertragBild: Alen Legovic

Wir müssten nicht zurücktreten, weil wir ja für die ganze Legislaturperiode gewählt sind, aber natürlich würde ein Nein alle andere Politikbereiche beeinflussen. Das könnte große Probleme bei unserem Versuch bereiten, den Banken- und Finanzsektor und die gesamte Wirtschaft wieder aufzubauen. Der Premierminister hat ja gesagt, wir müssen innerhalb von 100 Tagen drei wichtige Entscheidungen treffen: Die erste ist das Referendum über Lissabon, dann die Neuordnung der verstaatlichten Banken und schließlich den Staatshaushalt für das kommende Jahr. Wir haben einen großen Berg von Problemen. Das würde natürlich nicht einfacher. Wir werden nicht weglaufen mittendrin. Aber ich nehme nicht an, dass wir das Referendum verlieren.

Könnten Sie im Falle eines Falles auch ein drittes Mal über den Lissabon-Vertrag abstimmen lassen?

Nein, nein. Das sehe ich nicht. Der Lissabon-Vertrag wäre endgültig gestorben. Wie Europa damit umgehen würde, ist wirklich schwer vorherzusagen. Viele in Europa sind frustriert, dass es bis jetzt schon solange gedauert hat. Vor zehn Jahren hat der damalige deutsche Außenminister Joschka Fischer in seiner Berliner Rede an der Humboldt-Universität gefordert, Europa näher zu den Bürger zu bringen. Wir hatten den Konvent, die Verfassung, die Ablehnung der Verfassung, die neuen Verhandlungen zum Lissabon-Vertrag, den Ratifizierungsprozess. Das dauert nun schon so lange, dass es die Energie aus Europa heraus saugt. Ein drittes Referendum wird es weder hier noch sonst irgendwo geben.


Dick Roche (62) gehört der liberalen Partei Fianna Fail an. Im irischen Kabinett ist der gelernte Verwaltungsbeamte seit 2007 für Europapolitik zuständig. Zuvor war er Umweltminister und viele Jahre Abgeordneter im irischen Parlament.

Das Interview führte Bernd Riegert.
Redaktion: Julia Kuckelkorn