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"Roboter sind natürlich immun"

Dirk Kaufmann
24. April 2020

Der Einsatz von Robotern in der Industrie war lange umstritten, weil viele Angst um ihre Arbeitsplätze hatten. Doch in der Corona-Krise zeigen sich die Vorteile der Automatisierung.

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BMW-Werk Spartanburg in den USA
Bild: picture-alliance/dpa

"Zunächst einmal sind Roboter natürlich immun gegen Coronaviren, und automatisierte Prozesse helfen, die Produktion am Laufen zu halten". Patrick Schwarzkopf vom Verband Deutscher Maschinen- und Anlagenbau (VDMA) bringt den Vorteil automatisierter Arbeit in Zeiten der Pandemie auf den Punkt. Schwarzkopf, Direktor des Fachverbandes Robotik + Automation beim VDMA, fügt aber vorsichtshalber hinzu: "Dennoch ist der Mensch in der Fabrik unverzichtbar und das wird auch so bleiben."

Das zeige sich gerade in der Zusammenarbeit von Mensch und "kollaborativen Robotern", sogenannten Cobots, die direkt mit Kollegen aus Fleisch und Blut zusammenarbeiten. Schwarzkopf: "Sie assistieren dem Arbeiter aus nächster Nähe, ohne dass davon ein Infektionsrisiko ausgeht."

Susanne Bieller, Generalsekretärin des internationalen Verbandes der Robotik-Industrie (IFR), sieht den gleichen Vorteil. Außerdem würden Roboter dazu beitragen, "die erforderliche Personalanzahl in der Produktionshalle" zu minimieren. Derzeit würde das Personal oft in verschiedene Schichten eingeteilt, um die Zahl der Begegnungen zu senken. "Auch hier", so Bieller, "hilft die Robotik, wenn ich etwa jeden zweiten Arbeitsplatz kurzfristig durch einen Roboter ersetze."

England Nissan Werkstatt in Sunderland
Beim Autobau erledigen Roboter einen großen Teil der schmutzigen oder gefährlichen ArbeitBild: Getty Images/AFP/O. Scarff

Ein Schweißer an der Nähnadel?

In der aktuellen Krise geht es bei Produktionsprozessen um Schnelligkeit und Flexibilität. Und die, so Susanne Bieller, hänge vom "notwendigen Prozess-Knowhow" ab, das sich nicht immer kurzfristig aufbauen ließe: "Wenn ich beispielsweise eine Expertise im Schweißen habe, werde ich mich bei der Umstellung auf einen Nähprozess schwer tun."

Dennoch gibt es Beispiele, dass Schnelligkeit keine Hexerei sein muss. Zwei Mitgliedsfirmen des VDMA, die PIA Automation und der Sondermaschinenbauer Ruhlamat aus dem thüringischen Marksuhl, hätten, so Schwarzkopf, "ihre Kräfte gebündelt und arbeiten nun bei Produktionsanlagen für Gesichtsmasken zusammen".

Bei der Ruhlamat GmbH ist Managerin Nicole Heller für die Öffentlichkeitsarbeit zuständig. Auf die Frage, wie schnell die Umstellung erfolgte, schrieb sie DW: "Innerhalb einer Woche. Unser Tochterunternehmen hatte bereits eine Maschinenentwicklung für Masken-Produktionsanlagen, welche wir auf deutsche bzw. europäische Standards angepasst haben."

"Sehr pragmatisch und lösungsorientiert"

Jahrelang hatten Roboter in der Industrie ein Imageproblem. Sie galten als Symbol für Jobverlust und Entmenschlichung der Arbeitswelt. Doch dem VDMA liegen aktuell "keine Berichte von solchen Vorbehalten oder Widerständen vor". Patrick Schwarzkopf: "Ich denke, dass alle Beteiligten sehr pragmatisch und lösungsorientiert handeln."

Die Vorbehalte gegen Roboter, so Susanne Bieller, seien inzwischen Vergangenheit. Jetzt gelte, dass "die Automation vielleicht noch verhindern kann, dass ich in Kurzarbeit gehen muss oder gar meinen Arbeitsplatz krisenbedingt verliere. Da gibt es keinen Wettbewerb oder Widerstand."

Diese Beobachtung hat laut Nicole Heller auch die Ruhlamat GmbH gemacht. Vorbehalte gebe es "gar nicht. Eher im Gegenteil. Die komplette Belegschaft ist erleichtert, dass trotz Krise Aufträge ins Haus kommen und teilweise wieder Vollbeschäftigung angesagt ist."

Keine Angst vorm Rollback

Sowohl beim nationalen VDMA wie auch beim supranationalen Fachverband IFR geht man davon aus, dass der Imagewandel von "Kollege Roboter" nachhaltig ist. Susanne Bieller jedenfalls ist da sehr zuversichtlich: "Wenn Unternehmen den ersten Schritt in die Automatisierung gewagt haben, sind sie üblicherweise von den Vorteilen überzeugt und bauen noch weiter aus."

Bei der Ruhlamat sieht man das auch so, obwohl es in naher Zukunft "genügend Produktionsanlagen für Schutzmasken" geben und die aktuelle Nachfrage sinken werde. Dennoch, so Nicole Heller: "Wir werden mit Sicherheit unser Kundennetzwerk vergrößern und langfristig neue Kunden gewinnen."

Deutschland Symbolbild Robotik
Mit einem Menschen dürfte dieser Mann nicht mehr so eng zusammenarbeiten - gut, dass der Kollege ein Roboter istBild: imago/Westend61

Eine strahlende Zukunft im Blick

Generell blickt die Branche optimistisch nach vorn. Für IFR-Generalsekretärin Bieller gilt das gerade mit Blick auf Deutschland: "Das Verständnis für Robotiklösungen ist hoch. Sie werden nicht als Konkurrenz gesehen, sondern als die Unterstützung, als die sie gedacht sind." VDMA-Direktor Patrick Schwarzkopf kann das nur unterstreichen: "Bei den Leuten, die mit Robotern arbeiten, haben diese schon lange ein sehr gutes Image. Erstens kommt es nicht zu Arbeitsplatzverlusten, sondern die Roboter sichern diese. Zweitens verbessert sich die Arbeitsqualität stetig, da die Roboter repetitive, monotone oder unergonomische Tätigkeiten übernehmen."

Auf einen weiteren Aspekt weist Susanne Bieller hin. Die fortschreitende Automatisierung industrieller Prozesse habe auch Vorteile, weil sie Nachhaltigkeit und Umweltverträglichkeit fördere. Wir würden, so Bieller, gerade erleben, wie unterbrochene Lieferketten Produktionen lahmlegen. Dagegen könnte langfristig eine erhöhte Automatisierung helfen, "wenn wir nämlich mithilfe von Robotik wieder mehr lokal fertigen und die langen Lieferwege kürzen. Das reduziert langfristig Abhängigkeiten. Diese Effekte sehen wir aktuell noch nicht, diese Diskussion wird aber in manchen Bereichen schon geführt."