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Riskier was, Mensch!

16. Februar 2013

An Aschermittwoch hat die Fastenzeit begonnen. Aber man muss nicht unbedingt auf Essen verzichtet. Antje Borchers denkt für die evangelische Kirche darüber nach, was es heißen kann, sieben Wochen ohne Angst zu leben.

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Ballonfahrt
BallonfahrtBild: picture-alliance/dpa

Ballonfahrt oder Fallschirmsprung?

Haben Sie heute schon was riskiert? Die Frage ist natürlich: Was ist überhaupt riskant? Ich zum Beispiel würde gerne mal im Heißluftballon fahren, das stelle ich mir traumhaft vor. Ein Freund hat mich allerdings irritiert, der sagte: „Das ist viel zu unsicher, wer weiß, ob man das überlebt!? Da probiere ich es lieber mit Fallschirmspringen.“ – „Was!?“ Ich war völlig entsetzt. „Das würde ich auf keinen Fall tun: mich bei vollem Bewusstsein und mit voller Absicht aus einem Flugzeug Richtung Erde stürzen. Wer weiß, ob mein Fallschirm sich öffnet.“ – „Natürlich“, antwortete mein Freund prompt, „statistisch gesehen ist Fallschirmspringen viel sicherer als Ballonfahren.“ – Ach, stimmt das? Ich hätte das genau umgekehrt gedacht: Für mein Gefühl ist Ballonfahren total unriskant, dafür aber ein gigantisches Erlebnis. Ich würd’s darum machen.

Vieles im Leben ist gefährlich

Denn: Was ist schon riskant? Doch nicht in erster Linie, was die Statistik sagt. Sondern erst mal das, was ich persönlich riskant finde. Jemandem meine heiße Liebe zu gestehen, ohne zu wissen, wie der empfindet – das finde ich riskant. Aber: Ich würde es machen, denn ich könnte ja sehr viel gewinnen: meine große Liebe.

Warum ist man eigentlich so vorsichtig, riskante Dinge zu tun? Na ja, weil man viel verlieren kann. Ich kann mich lächerlich machen bei einer Liebeserklärung. Ich kann Pleite gehen bei Anlagegeschäften. Oder eben sterben beim Ballonfahren. Immer kann ich abstürzen.

Die Fastenaktion „7 Wochen Ohne“

Diese Woche hat die Passionszeit begonnen, Fastenzeit. Die sieben Wochen zwischen Karneval und Ostern. In der Evangelischen Kirche in Deutschland gibt es für die Fastenzeit seit 30 Jahren ein Motto: „sieben Wochen ohne“. Dieses Motto, bzw. die dazugehörige Aktion beginnt immer am Aschermittwoch und endet immer Ostersonntag. Für diese Zeit entscheiden sich Menschen, auf etwas zu verzichten, damit ihr Leben lebenswerter wird. In diesem Jahr heißt das Motto: Riskier was, Mensch – sieben Wochen ohne Vorsicht!

Beim Verzichten geht es nicht darum, besonders hart oder asketisch gegen sich selber vorzugehen. Natürlich, Sie können Essen fasten. Machen Sie einen Bogen um den Kühlschrank, meiden Sie den Zigarettenautomaten oder gehen Sie überhaupt mal wieder zu Fuß. Entziehen Sie sich Kalorien, Konsum, Komfort. Das Motto „Riskier was, Mensch – 7 Wochen ohne Vorsicht!“ ermutigt Sie in diesem Jahr dazu, Ihre Angst zu fasten. Nicht so vorsichtig zu sein, etwas zu ändern. Das Leben ist schließlich keine Versicherungsgesellschaft.

Vor 30 Jahren, 1983, haben 70 Menschen bei dieser Fastenaktion der evangelischen Kirche mitgemacht. Ein Jahr später waren es schon 300. Mittlerweile machen laut einer Emnid-Umfrage mehr als 2 Millionen Menschen in Deutschland bei „7 Wochen ohne“ mit. Wenn man sich als Gruppe oder als Einzelne für die Aktion anmeldet, wird man unterstützt mit einem Fastenkalender, mit Fastenbegleitbriefen. Und man kann sich auf der Internetseite www.7wochenohne.evangelisch.de oder bei Facebook mit anderen Fastenden über seine Erfahrungen austauschen.

Riskier was, Mensch – sieben Wochen ohne Vorsicht! Verlassen Sie ausgetretene Pfade, machen Sie etwas anders als sonst und bringen Sie damit, leise und ganz ohne ruckartige Bewegungen, gewohnte Ordnungen durcheinander. Vielleicht läuft nicht mehr alles ganz so rund und vorhersehbar wie sonst. Vielleicht stolpern Sie auf einmal im gewohnten Takt. Ihr Tagesablauf verschiebt sich, Zeit ist da, wo Hetze war. Ruhig und wach hören Sie sich selbst wieder – und Sie hören Gott. Diese Zeit im Kirchenjahr, Fastenzeit lebt auf Veränderung hin. Riskieren Sie es: sieben Wochen ohne Vorsicht.

Mit Mut wird unser Leben besser

Auch Gott hat sehr viel riskiert, weil er jemandem seine große Liebe gestehen wollte. Er hat sich mit vollem Bewusstsein und voller Absicht aus seinem Himmel Richtung Erde gestürzt, hat seinen sicheren Platz als Gott der Welt aufgegeben. Und wurde ein Mensch. Auf die Gefahr hin, dass er übersehen wird, so als normaler Mensch Jesus. Dass er verteufelt wird, weil er von Liebe sprechen würde und nicht von Geboten. Dass er zertreten wird, weil er seine leidenschaftliche Liebe auch bei Anfeindung nicht leugnen würde.

Gott hat das riskiert. Um viel zu gewinnen, sehr viel: mich und mein Vertrauen. Sie und Ihr Vertrauen. Und überhaupt jeden Menschen. Damit unser Leben besser wird, lebenswert. Denn das ist Gott sehr wichtig.

Haben Sie heute schon was riskiert? Nicht einfach, um leichtsinnig zu leben, sondern damit das Leben besser wird. Nur Mut!

Antje Borchers
Antje BorchersBild: DW

Zur Autorin:
Antje Borchers ist Diplom-Medienwirtin und Journalistin. Sie hat viele Jahre als Chefredakteurin einer christlichen Jugendzeitschrift gearbeitet. Seitdem macht sie auch Radio, zum Beispiel Morgenandachten. Vorher war sie in Idstein/Taunus und hat dort als Gemeindediakonin die Jugendarbeit der evangelischen Kirchengemeinde geleitet. Sie wohnt mit ihrem Mann in Lemgo/Lippe.