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Risikokapital

31. Mai 2011

Im frühen Leben wachsen die größten Werte. Das gilt auch für junge Unternehmen. Oft hilft dabei Risikokapital. Doch irgendwann lässt die Innovationsfreude nach.

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Mann mit Laptop (foto: dpa/pa)
Ein Mann, ein Laptop, eine Geschäftsidee - aber kein KapitalBild: dpa/pa

Ein bisschen sieht es nach "déjà vu" aus: Geht's der Wirtschaft gut, legen die Investoren ihr Geld zusammen, gehen ins Risiko, kaufen Unternehmen. Geht es schlecht, wird das Risiko gemieden. Im Moment geht es gut. Auch in der außerbörslichen Unternehmensfinanzierung läuft das Geschäft.

Der Bundesverband Deutscher Kapitalbeteiligungsgesellschaften meldete soeben für 2010, die Investitionen der Eigenkapitalgeber hätten knapp 4,5 Milliarden Euro betragen - 59 Prozent mehr als im Vorjahr. Pünktlich zur Energiewende hat die Branche grüne Technologien als neuen Investitionsschwerpunkt entdeckt. Mit der Regierung ist man im Gespräch, um Investitionshindernisse zu beseitigen. Eigenkapitalfinanzierung - eine Mode? "So würde ich es nicht bezeichnen, aber es gibt sehr klare Konjunkturen, es gibt Wellen, die sehr starke Auf und Abs mit sich bringen", sagt der Eigenkapitalexperte Professor Uwe Walz vom Center for Financial Studies der Universität Frankfurt am Main.

Deutschland noch Entwicklungsland

Professor Dr. Uwe Walz, Universität Frankfurt, Center for Financial Studies Quelle: Universität Frankfurt
Branche halbwegs erwachsen: Professor Dr. Uwe WalzBild: Universität Frankfurt

In den Vereinigten Staaten sei die Venture-Capital-Industrie "wirklich wichtig und groß". Etwa die Hälfte aller Börsengänge entfalle auf VC-unterstützte Unternehmen. In Deutschland sei sie erst Mitte der 1990er Jahre entstanden, sei mittlerweile aber "halbwegs erwachsen". Ihren ersten "großen Aufschwung" habe sie in der Dotcom-Blase zur Jahrtausendwende erlebt, den anschließenden Niedergang inklusive. Derzeit erlebe sie aber wieder "einen richtigen Aufschwung".

Geblieben sind die konzeptionellen Unterschiede in der außerbörslichen Eigenkapitalfinanzierung. Sie gibt es in der Form der Gründungs- und Wagnisfinanzierung, was dann Venture Capital-Finanzierung heißt, und in der Form von Umstrukturierungshilfen bei etablierten Unternehmen, was Private Equity genannt wird.

Am Anfang bessere Rendite

Lust auf Rendite spielt natürlich auch eine Rolle bei dem Geschäft. Gerade wenn, wie jetzt, Börsen schon gut gelaufen sind, schauen sich Investoren andere Anlagemöglichkeiten an. Den Grund offenbart ein Blick in die Wirtschaftsgeschichte: Nach einem langjährigen Durchschnitt werden 80 Prozent des Unternehmenswertes in der Gründungs-, Früh- und Ausbauphase erwirtschaftet. Für die Zeit an der Börse bleiben nur 20 Prozent Wertsteigerung übrig. Ein anderer Grund ist aktueller: Es gebe wieder Geld für Beteiligungskäufe, weiß Ralf Hafner von der Investmentbank Silivia Quandt: "Der Markt für Fremdfinanzierungen ist wieder offen."

Firmenlogos von Microsoft und Skype (Foto: dpa)
Groß schluckt klein - Bleibt die Kreativität auf der Strecke?Bild: picture alliance/dpa

Auch große Firmen auf der Suche

Nicht nur Finanzinvestoren sind auf der Suche nach geeigneten Objekten. Auch Unternehmen sind in der Wagnisfinanzierung unterwegs. Deutsche Telekom, BASF, Siemens, auch Pharmafirmen haben sich Töchter zugelegt, die nach attraktiven Beteiligungen Ausschau halten. Vor allem in der Pharmabranche hat das oft den Charakter einer ausgelagerten Forschungsabteilung angenommen. In großen Organisationen, weiß Walz aus seinen Forschungen, gebe es "Widerstände" gegen Neues, auch "Friktionen". Deshalb hätten Konzernvorstände entschieden, dass man den Umgang mit Innovationen "besser in kleinen, in unabhängigen Einheiten schafft." Vulgo: Wo die eigenen Ideen fehlen, werden sie eben von außen eingekauft, in Form der Übernahme junger Technologieunternehmen.

Nachlassende Innovationsfreude

Dieses Muster - freilich in ganz anderer Dimension - schwang auch mit, als Microsoft den Internettelefondienst Skype kaufte. Solche Großgeschäfte sind in Deutschland einstweilen nicht denkbar: Die Beteiligungsfinanzierung ist noch jünger als in Amerika, das Angebot an kaufbaren Unternehmen geringer - auch deshalb, meint Walz, weil hierzulande Unternehmertum als nicht so erstrebenswert gelte wie in Amerika. Zudem, sagen Experten, gingen in Amerika Unternehmen schneller mit ihrem Produkt an den Markt. Hierzulande müssten zuvor auch noch die letzten technischen Finessen stimmen.

Ist die Übernahme vollzogen, droht die Lust am Neuen nachzulassen. Uwe Walz hat bei seinen Arbeiten jedenfalls festgestellt, dass die Innovationsfreude abnahm, sobald ein Jungunternehmen von einem größeren Konzern geschluckt wurde. Das könnte der Erschlaffung des Denkens in größeren Strukturen geschuldet sein, oder schlicht dem Umstand, dass die Umsetzung einer Innovation mit Innovation nicht mehr viel zu tun hat. Schließlich sei das das Unternehmen "erwachsener“ geworden, so Walz, und damit "per se weniger innovativ".

Autor: Michael Braun
Redaktion: Henrik Böhme