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Politik

Ring frei für die zweite Runde

Barbara Wesel Paris
24. April 2017

Emmanuel Macron will Frankreich modernisieren. Der unabhängige Kandidat muss in der Stichwahl aber um eine Mehrheit kämpfen. Sozialisten und Republikaner sammeln indes die Scherben auf. Barbara Wesel aus Paris.

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Frankreich Wahl Emmanuel Macron Rede in Paris
Bild: Reuters/F. Tessier

Der Sieger wusste gleich, dass jetzt der schwierige Teil beginnt. Emmanuel Macron, Erstplatzierter in der ersten Wahlrunde, Wirtschaftsreformer und europafreundlicher Liberaler, muss jetzt frontal gegen Marine Le Pen vom rechtsextremen Front National (FN) kämpfen. Der Wahlkampf geht sofort weiter. Zwar sagen die Umfragen Macron im zweiten Wahlgang am 7. Mai eine Mehrheit voraus, aber der FN ist ein harter Gegner.  

Achtung, Fußangeln für Macron

Wie dünn das Eis ist, auf dem er sich bewegt hat Macron spätestens Montagfrüh begriffen, als sein Essen am Vorabend mit prominenten Anhängern und Mitarbeitern in der Pariser Traditionsbrasserie "La Rotonde" zum Skandal wurde: Wie könne er eine Siegesfeier veranstalten, wo er die Präsidentschaft noch nicht einmal gewonnen habe, giftet die Presse. Der Jungstar der französischen Politik kann sich nicht den kleinsten Fehler erlauben.

Frankreich Cafe Brasserie La Rotonde
Macron feierte seinen Sieg im La RotondeBild: picture-alliance/jtimage/B. Juettner

Und er muss sofort raus auf die Piste: Le Pen hat schon Montagfrüh den Wahlkampf in ihren Hochburgen, den Kleinstädten des Pas de Calais im Norden, wieder aufgenommen. Macrons Team wiederum sucht nach dem Vorbild der Obama-Kampagne durch Datenanalyse gezielt die Wähler, die noch individuell angesprochen und überzeugt werden können. Aber auch er geht erneut auf Wahlkampf-Tournee. Macron braucht in der Stichwahl 60 Prozent plus, um wirklich "Präsident für ganz Frankreich" zu werden, wie er am Sonntagabend ankündigte. Es geht um seine politische Glaubwürdigkeit.

Und das wird nicht ganz einfach: Zwar forderten gleich nach ihrer Niederlage der konservative Francois Fillon und der Sozialist Benoit Hamon ihre Anhänger auf, Emmanuel Macron zu unterstützen. Es gehe darum, den Vormarsch der Rechtsradikalen zu verhindern. Allein der Linksextreme Jean-Luc Mélenchon spielt bei dieser traditionellen "Republikanischen Front" nicht mit.

Allerdings: Nach einer Analyse des Instituts Cevipof würden weniger als die Hälfte der Fillon-Wähler bei der Stichwahl Macron unterstützen und rund 30 Prozent für Le Pen stimmen. Etwa die Hälfte der Wähler des Linken Mélenchon würden zu dem Liberalen umschwenken und nur von den früheren Sozialisten bekäme Macron eine große Mehrheit ihrer Wähler. Stimmen diese Berechnungen, könnte er in der Stichwahl mit rund 60 Prozent der Stimmen rechnen. Jacques Chirac schaffte in ähnlicher Lage 2002 noch 82 Prozent.

Der Front National kämpft mit harten Bandagen

Der Chefideologe des FN Florian Philippot hat schon angekündigt, man werde den Kampf vor allem auf die Europafrage konzentrieren. Er nannte das Ergebnis seiner Partei, die zum zweiten Mal seit 2002 in die Ausscheidungsrunde der Präsidentschaftswahlen kommt, "quasi historisch". Denn mehr als sieben Millionen Franzosen haben ihre Stimme am Sonntag dem FN gegeben, der seine Anziehungskraft erkennbar ausweiten konnte.

Frankreich Zweite Runde der Regionalwahlen 2015 Marine Le Pen
Le Pen im Pas de CalaisBild: Reuters/Y. Herman

Man werde den Franzosen die Chance geben, in einem Referendum über ihre Mitgliedschaft in der Europäischen Union zu entscheiden, verspricht Philippot. Eine Abstimmung um die sie 2005 "betrogen" worden seien, als die neuen EU-Verträge abgeschlossen wurden. Abgesehen davon verfolgt der FN seine inzwischen bekannte ausländerfeindliche, hyper-nationalistische und protektionistische Politik, die für viele attraktiv ist, die die Schuld für den Zustand Frankreichs bei äußeren "Feinden" sehen. Und Le Pen beschwört landauf, landab, sie sei sie einzige Kandidatin des "Volkes".

Frankreich Wahlergebnis, Figaro: Die Rechte K.O.
Der "Le Figaro" titel: Die Rechte ist K.O. Bild: DW/B. Wesel

Konservative räumen Trümmer auf

Bei den Konservativen geht an diesem Montag die Wut um. Das Treffen der Parteiführung findet hinter verschlossenen Türen statt. Aber draußen fragen viele, wie man diese quasi "unverlierbare" Wahl verlieren konnte. Zum ersten Mal seit den 1950iger Jahren kommt die Partei nicht in die Stichwahl. Francois Fillon hat schon Sonntagabend die alleinige Verantwortung übernommen, seine politische Karriere ist zu Ende. Als Nachfolger wird Francois Baroin gehandelt, früherer Finanzminister aus der Regierung Sarkozy. Klar ist, dass es unter den Fillonisten zu einer Nacht der langen Messer kommen wird. Die Partei muss sich inhaltlich und personell neu formieren, macht sich aber Hoffnungen, trotz allem die Wahl zur Nationalversammlung Anfang Juni zu gewinnen. Unter ihnen wird dann auch Macron, wenn er zum Präsidenten gewählt wird, Unterstützung suchen müssen. Keine leichte Übung, im koalitions-ungewohnten Frankreich.

Sozialisten stehen vor dem Nichts

Nach einem Ergebnis von knapp über sechs Prozent steht die sozialistische Partei des scheidenden Präsidenten Francois Hollande vor der politischen Vernichtung. Sie brauche eine neue Politik, neues Personal und vielleicht einen neuen Namen, sagen Kommentatoren in der französischen Presse. Und derzeit ist nicht zu erkennen, woher dieser Schub zur Totalerneuerung kommen könnte. Vielleicht gibt es für sie in der neuen Parteienlandschaft Frankreichs keinen Platz mehr.

Das Land ist gespalten

"Das Land ist in drei große Teile gespalten", räumt Gérard Collomb ein, Bürgermeister von Lyon und Unterstützer von Macron. Die Menschen müssten wieder zusammen finden und eine neue Mehrheit jenseits von Rechts und Links bilden. Aber das wird schwer.

Ein Blick auf die politische Landkarte zeigt, dass der FN vor allem im de-industrialisierten Norden, im Osten und an der südlichen Mittelmehrküste stark ist. Macron hat in den großen Städten gewonnen, in Paris und im Westen an der Atlantikküste. Der FN ist generell stärker auf dem Land, Macron in den Städten. Dahinter stehen Gegensätze in Wohlstand und Lebensführung, die sich auch mit ehrgeizigen Reformen so schnell nicht einebnen lassen.