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Rinder für China

Frank Sieren17. November 2014

Australien schließt mit China ein Freihandelsabkommen. Das relativiert den Einfluss der Vereinigten Staaten, meint DW-Kolumnist Frank Sieren.

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Rinderherde und Cowboy in Australien (Foto: imago)
Australien rechnet mit Rinderexporten im Wert von einer Milliarde US-DollarBild: imago/blickwinkel

Das Gerangel zwischen Russland und dem Westen hat den G20-Gipfel am Wochenende im australischen Brisbane bestimmt. Die möglichen Auswirkungen des Konfliktes auf die Weltwirtschaft machen den Staats- und Regierungschefs Sorgen. Dabei ist eine Entscheidung untergegangen, die großen positiven Einfluss auf die Weltwirtschaft haben wird, und die machtpolitischen Gewichte im asiatisch-pazifischen Raum spürbar verschiebt. Noch während US-Präsident Obama am vergangenen Samstag in seiner außenpolitischen Grundsatzrede vor Studenten in Queensland von der "außergewöhnlichen Partnerschaft" mit Australien schwärmte, die nie "stärker war als heute", sickerte durch, dass China und Australien ein Freihandelsabkommen unterzeichnen wollen.

So kam es dann auch. Der Abschluss des G20-Wochenendes erschien der chinesischen Regierung als sehr günstiger Zeitpunkt. Wirtschaftlich rücken die asiatischen Staaten immer enger an China: auf dem APEC-Gipfel in Peking, auf dem ASEAN-Gipfel in Burma und jetzt auf dem G20-Gipfel im australischen Brisbane. Das Freihandelsabkommen Chinas mit Südkorea, eine wirtschaftliche Annäherung mit Vietnam und den Philippinen und nun noch Australien. Und 50 Milliarden Dollar aus Peking für eine neue Asiatische Infrastrukturbank, eine Konkurrenz zur US-japanisch dominierten Asiatischen Entwicklungsbank. Das war selbst Bundeskanzlerin Angela Merkel eine Bemerkung wert: Die Europäer müssten aufpassen, nicht ins Hintertreffen zu geraten: "Die asiatische Seite ist wesentlich weiter", sagte sie in Brisbane.

Frank Sieren (Foto: privat)
DW-Kolumnist Frank SierenBild: Frank Sieren

Wachstumschance für Australien

Schon in der Finanzkrise hatte Chinas ungebrochene Rohstoffnachfrage Australien vor einer Rezession bewahrt. Jetzt aber flaut der lange Boom im Bergbau ab. Und Australiens Regierung hofft, dass ein Freihandelsabkommen neue Wachstumschancen eröffnet: Es soll australischen Banken, Universitäten und Anwaltskanzleien helfen, von der steigenden Dienstleistungsnachfrage der chinesischen Mittelschicht zu profitieren. Um 14 Milliarden Dollar soll die australische Wirtschaft allein durch den neuen Deal mit den Chinesen wachsen. Darunter fallen auch Rinderexporte im Wert von einer Milliarde US-Dollar. Der australische Handelsminister Andrew Robb geht davon aus, dass allein der australische Gründerfonds mit chinesischen Investitionen von einer halben Milliarde US-Dollar rechnen kann.

Da China schon seit einigen Jahren Australiens wichtigster Handelspartner ist, macht die Vereinbarung Sinn. Fast 100 Prozent von Australiens Bodenschätzen, Energie und Produktionsexporten sind zollfrei, wenn der Vertrag in Kraft tritt. Es sei der "beste Marktzugang, den China einem anderen Land je gewährt hat", freute sich der australische Handelsminister Robb. Diese Zugeständnisse zeigen deutlich, wie politisch wichtig das Abkommen Peking zu diesem Zeitpunkt war. So wichtig, dass die Chinesen sogar lange strittige Fragen erst einmal ausgeklammert haben. Seit Jahren fordert Peking beispielsweise, chinesische Arbeitskräfte sollten einen freien Zugang zum australischen Markt bekommen.

USA weniger Spielraum

Den Amerikanern passt das Abkommen gar nicht. Je größer die Abhängigkeit Australiens vom chinesischen Markt, desto geringer der Spielraum der Amerikaner. Doch Obama kann nur wenig dagegen machen. Solch ein Wirtschaftswachstum kann er den Australiern nicht bieten. Und welches asiatische Land würde schon nur aus Freundschaft zu den USA auf den größten Wachstumsmarkt vor seiner Haustür verzichten?

Obama ließ es sich kaum anmerken, dass sich seine asiatischen Partner just bei einer seiner seltenen Asienreisen in die multipolare Weltordnung verabschieden, während er sich noch immer strategische Monogamie von seinen Partnern erwartet. Obamas Defensive war jedoch spürbar. Im Verlauf des Gipfels wurden seine Äußerungen immer aggressiver: Die USA werden ihr Engagement "mit allen Elementen unserer Macht vertiefen", sagte er am Samstag, und spricht am Ende sogar von der "amerikanischen Führungsrolle in Asien". Früher musste er das nicht extra betonen. Nun ist es zu spät.

DW-Kolumnist Frank Sieren lebt seit 20 Jahren in Peking.