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Riesen-Propeller aus der ostdeutschen Provinz

Klaus Ulrich19. August 2006

Sie gilt als Königsdisziplin im Schiffsbau: Die Herstellung der Schiffsschrauben. Weltmarktführer ist nicht etwa eine große Werft, sondern ein Betrieb in der ostdeutschen Provinz.

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Arbeiter auf einer Schiffsschraube der Mecklenburger MetallgussBild: Ap
Das grösste Kreuzfahrtschiff der Welt "Queen Mary II " passiert am frühen Montagmorgen, 1. August 2005, den Hafen von Hamburg.
Die "Queen Mary II" wird von einem MMG-Propeller angetriebenBild: AP

Das Städtchen Waren zählt zu den touristischen Hochburgen an der Müritz, dem größten See der Mecklenburger Seenplatte: Mit seinem Jachthafen, den beiden Kirchen mit ihren alles überragenden Türmen und der liebevoll restaurierten Altstadt vermittelt es perfekte Postkartenidylle. Doch im Zentrum von Waren, direkt gegenüber dem Bahnhof, wird jeder Gedanke an Sommerfrische im Luftkurort durch Baulärm jäh verdrängt: Die alteingesessene Mecklenburger Metallguss GmbH erweitert ihre ohnehin schon nicht gerade kleinen Produktionshallen. Die Auftragsbücher des Schiffspropeller- Herstellers sind prall gefüllt. Hier in der ostdeutschen Provinz, weit entfernt von Seehäfen und Großwerften, werden die wohl besten, auf jeden Fall aber größten Schiffspropeller der Welt hergestellt.

Enge Abstimmung

"Wir haben Propellerkomponenten für die Queen Mary 2 geliefert, eines der größten Passagierschiffe der Welt", erzählt Jürgen Eberlein. Der Geschäftsführer gehört zum Urgestein der Mecklenburger Metallguss, kurz MMG: Seit mehr als 30 Jahren ist der Diplom-Ingenieur in der Firma. Er erzählt, dass es zwischen einer Schiffsschraube und dem Propeller eigentlich gar keinen Unterschied gibt. Der Fachmann sagt einfach lieber Propeller.

Beim Bau eines modernen Propellers müssten mehr als 50 Prozent der gesamten Fertigungszeit für die optimale Planung aufgewendet werden, erzählt Eberlein. Von den Reedereien erhalte die Firma eine Reihe von Angaben zu dem jeweiligen Schiff. "Anhand dieser Daten mache ich dann ein Grundkonzept", sagt Eberlein. Dieses werde mit den Schiffbauern sehr eng abgestimmt. "Das ist also auch ein bisschen ein Geheimnis unseres Erfolges, dass wir schon im Frühstadium mit den Schiffbauern zusammen arbeiten."

Letzter Schliff

Jürgen Eberlein führt in eine Produktionshalle von der Größe eines Fußballfeldes, die Schleiferei. Propeller in allen Größen bekommen hier im wahrsten Sinne des Wortes den letzten Schliff. Zwischen dieser Endfertigung und der computer-gestützten Propeller-Planung liegen die Gießerei und die maschinelle Bearbeitung. "Dieser Propeller, wie er jetzt hier liegt, hat ungefähr 140 Tonnen, für einen Hochleistungscontainer. Das ist ein Durchmesser von 9,60 Metern", sagt Eberlein.

In seinem Büro präsentiert Jürgen Eberlein nüchterne Zahlen, die widerspiegeln, warum die Propeller-Herstellung als "Königsdisziplin im Schiffsbau" gilt: Rund 25 Jahre läuft so ein Schiffspropeller fast ununterbrochen. Bis zu 140.000 Mal täglich dreht sich die Schraube bei Fahrt auf hoher See. Die Spitzen der Flügel erreichen dabei Geschwindigkeiten von bis zu 45 Meter pro Sekunde. Dabei werden nicht nur die rund 100.000 PS der Schiffsmotoren in Vortrieb übersetzt - auch der Widerstand des Wassers muss gebrochen werden.

Präzision in XXL

Nur wer die Herstellung dieser technischen Präzisionsinstumente im XXL-Format bis ins letzte Detail beherrscht, kann auf den Weltmärkten bestehen. "1998 haben wir 40 Propeller im Jahr gebaut mit einem Durchschnittsgewicht von 40 Tonnen. In diesem Jahr wollen wir erstmalig 120 Propeller herstellen mit einem Durchschnittsgewicht von 80 Tonnen", sagt Eberlein. "Das ist also eine enorme Entwicklung, die natürlich genau der Schiffbauentwicklung Rechnung trägt. Sehen Sie mal, beim Containerbau ging es von 3.000 Containern pro Schiff in den letzten Jahren jetzt schon auf 12.000 Container hoch - eine enorme, fast explosionsartige Schiffbauentwicklung."

Die Wurzeln der Mecklenburger Metalguss GmbH lassen sich bis ins Jahr 1875 zurückverfolgen. Bereits am heutigen Standort in Waren an der Müritz wurde die Firma als "Maschinenfabrik und Eisengießerei" gegründet. Erst nach Ende des Zeiten Weltkriegs begannen die Warener - als Teil eines Schiffbau-Kombinates der DDR - mit der Produktion von Schiffsschrauben - und zwar in erster Linie für die Sowjetflotte.

In den Händen der Treuhand

Nach dem Ende der DDR hatte in der Firma mehrfach die Treuhand das Sagen. Die MMG konnte aber nach einigem Hin und Her die "Deutsche Gießerei- und Industrieholding" mit Sitz in Essen als Mitgesellschafter gewinnen. Die lässt den MMG-Geschäftsführern Jürgen Eberlein und seinem Partner Manfred Urban weitgehend freie Hand bei ihren Entscheidungen. Gemeinsam haben die Beiden das Unternehmen an die Weltspitze ihrer Branche geführt - mit großen Erfolgen vor allem auf dem besonders wichtigen Markt Südkorea. Inzwischen sei seine Firma bei den größten Werften Alleinlieferant geworden, sagt Eberlein. "Das hat uns volle Auftragsbücher beschert, ist aber andererseits eine riesengroße Verantwortung."

Wie steil die Erfolgskurve der Mecklenburger Metalguss GmbH in jüngster Zeit verlaufen ist, zeigt dieser Vergleich: Machte die MMG 1992 noch einen Umsatz von lediglich 2,5 Millionen Euro mit Schiffspropellern, so werden es in diesem Jahr bereits nahezu 50 Millionen Euro sein - und das mit einer vergleichsweise kleinen Mannschaft von rund 180 Mitarbeitern. Dabei gehen 90 Prozent der Produktion in den Export, schwerpunktmäßig nach Südkorea, sehr viel weniger nach Japan, aber in zunehmendem Maße auch nach China.