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"Rheinische Botschaft" nach Gewalt in Köln

22. Januar 2016

Mehrere Tageszeitungen sind ihre Plattform: "Schluss mit fremdenfeindlicher Hetze", fordern prominente Künstler und Politiker in einem Appell nach der Silvesternacht. Aber auch "null Toleranz" für sexuelle Gewalt.

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Syrische Flüchtlinge demonstrieren vor dem Kölner Dom gegen Rassismus und Sexismus (16.01.2016) (Archivbild: DW/J. Ospina-Valencia)
Syrische Flüchtlinge demonstrieren vor dem Kölner Dom gegen Rassismus und Sexismus (16.01.2016)Bild: DW/J. Ospina-Valencia

Köln - bisher stand dieser Name in Deutschland für "leben und leben lassen", eine Stadt als Synonym für Toleranz. Doch seit den massiven Übergriffen auf Frauen in der Silvesternacht ist die Stimmung überhitzt. Jetzt wenden sich Prominente aus dem Rheinland mit einem Aufruf gegen Gewalt und für eine offene, gastfreundliche Gesellschaft an die Öffentlichkeit. Ihre Sorge: "Was an Silvester passiert ist, droht unsere Gesellschaft zu spalten." Genau das wollen die Unterzeichner verhindern.

Dazu zählen der Kölner Kardinal Rainer Maria Woelki, die Schriftsteller Navid Kermani und Frank Schätzing, BAP-Musiker Wolfgang Niedecken, die Künstler Rosemarie Trockel und Andreas Gursky, Schauspielerin Mariele Millowitsch, Ex-Bundesarbeitsminister Norbert Blüm und der Präsident des Bundesligisten 1. FC Köln, Werner Spinner.

"Bedrückendes Frauenbild"

Es dürfe "keinerlei Tolerieren von sexueller Gewalt" geben. Aber auch mit "fremdenfeindlicher Hetze" müsse Schluss sein, heißt es in dem Aufruf, der an diesem Freitag in mehreren Kölner Tageszeitungen, dem Bonner "General-Anzeiger" und der "Rheinischen Post" aus Düsseldorf veröffentlicht wird. Die Zeitungen nennen den Appell "Kölner Botschaft" oder auch "Rheinische Botschaft".

Die Unterzeichner legen mit ihren Forderungen den Finger in die Wunde: Sie beklagen "ein bedrückendes Frauenbild", das den Silvesterexzessen zugrunde gelegen habe. Sie prangern "bandenmäßige Straßenkriminalität" an, die "hauptsächlich von Marokkanern und Algeriern" verübt werde. Und sie attestieren staatlichen Stellen, versagt zu haben: "Die Behörden, die für unsere Sicherheit verantwortlich sind, haben nicht nur hilflos zugesehen, sie haben dieses große Verbrechen im Herzen unserer Stadt zunächst verharmlost oder sogar zu vertuschen versucht."

Rainer Maria Kardinal Woelki (Archivbild: dpa)
"Deutschland bleibt gastfreundlich": Rainer Maria Kardinal Woelki (Archivbild)Bild: picture-alliance/dpa/O. Berg

Hierfür müssten die Verantwortlichen zur Rechenschaft gezogen werden. Der Nachsatz - "mögen sie in der Hierarchie unter oder über dem in den Ruhestand versetzten Polizeipräsidenten stehen" - kann als Anspielung auf den nordrhein-westfälischen Innenminister Ralf Jäger verstanden werden, der erst den Kölner Polizeichef abberief und inzwischen selbst unter Druck steht.

"Verrohte Diskussion"

In Köln waren am Hauptbahnhof massenweise Frauen sexuell bedrängt und bestohlen worden. Auch mehrere Vergewaltigungen wurden angezeigt. Viele der mutmaßlichen Täter sollen aus Nordafrika stammen. Manche Männer arabischer oder orientalischer Herkunft hätten "ein tiefgreifendes Problem mit der Gleichberechtigung", heißt es in dem Aufruf. Das müsse benannt werden, "wenn wir durchsetzen wollen, dass die Würde der Frau jederzeit und an jedem Ort unantastbar ist".

Zugleich verwahren sich die Unterzeichner gegen die Ansicht, "der arabische oder muslimische Mann neige grundsätzlich zu sexueller Gewalt". Das sei verkürzt und falsch. Die öffentliche Diskussion drohe seit den Ereignissen von Köln weiter zu verrohen, erschreckend oft würden Menschen ausländischer Herkunft verbal oder tätlich angegriffen. Doch Deutschland müsse ein gastfreundliches Land bleiben. Das Recht auf Asyl gehöre zu den zentralen Grundrechten.

Musiker Wolfgang Niedecken (Archivbild: dpa)
"Wir lieben die Vielfalt": Musiker Wolfgang Niedecken (Archivbild)Bild: picture-alliance/dpa

Eine unkontrollierte Zuwanderung wie seit dem Herbst vergangenen Jahres könne indes nicht von Dauer sein. Einfache Lösungsvorschläge wie eine abstrakte Höchstgrenze oder die Schließung der deutsch-österreichischen Grenze seien allerdings "illusionär". Eine humane, gerechte und langfristig ausgerichtete Flüchtlingspolitik könne es nur im europäischen Verbund geben. "Daher", so die Verfasser, "gilt unsere Sorge heute nicht so sehr Deutschland als vielmehr Europa, das durch den neu aufflammenden Nationalismus seine Seele zu verlieren droht."

jj/wa (dpa, rp)