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Rettungshilfe für Arcandor abgelehnt

8. Juni 2009

Die Bundesregierung hat den Antrag von Arcandor auf Rettungsbeihilfe abgelehnt. Für den von der Insolvenz bedrohten Touristik- und Handelskonzern wird es nun sehr eng.

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Uhr vor Karstadt-Haus zeigt fünf vor 12 (Foto: AP)
Für eine Rettung des Karstadt-Mutterkonzerns läuft die Zeit davonBild: AP

Das Unternehmen hatte einen Notkredit in Höhe von 437 Millionen Euro beantragt, um damit nach eigener Aussage das operative Geschäft für sechs Monate am Laufen halten zu können. Dieser Antrag wurde am Montag (08.06.2009) von der Bundesregierung abgelehnt. Hauptaktionäre, Gläubigerbanken und Vermieter müssten weitergehende Zugeständnisse machen, hieß es aus dem Finanzministerium.

Die Bundesregierung hatte sich am Vormittag bereits geweigert, für Arcandor zu bürgen. Der Konzern hatte eine Bürgschaft aus dem Deutschlandsfonds über 650 Millionen Euro sowie 200 Millionen an Krediten der KfW-Bankengruppe beantragt. Nach Angaben des Wirtschaftsministeriums bestanden erhebliche Zweifel daran, dass Arcandor erst mit der aktuellen Finanz- und Wirtschaftskrise in Schieflage geraten ist.

Transparent mit Aufschrift: Wir kämpfen für Karstadt (Foto: AP)
Mitarbeiter einer Karstadt-Filiale sammelten in Berlin Unterschriften für den Erhalt ihrer ArbeitsplätzeBild: AP

Der Karstadt-Mutter wurde letztmalig eine kurze Frist eingeräumt, um den Antrag auf Staatshilfe nachzubessern. Auf Grundlage eines überarbeiteten Konzepts wäre kurzfristig eine neue Entscheidung möglich, hieß es in Berlin. Arcandor-Sprecher Gerd Koslowski kündigte für Dienstag einen nachgebesserten Antrag an.

Gläubiger und Eigentümer lenkten ein

Für den Konzern, der 80.000 Mitarbeiter hat, ist die heutige Entscheidung der Bundesregierung insofern besonders bitter, als die Gläubigerbanken Medienberichten zufolge bei einer Rettung des Konzerns zu Zugeständnissen bereit sind. Die Institute hätten grundsätzlich Forderungen des Bundes akzeptiert, sechs Monate auf Zinszahlungen des Unternehmens zu verzichten, wenn der Bund den von Arcandor beantragten Notkredit bewillige, erfuhr die Nachrichtenagentur Reuters am Montag von mehreren Personen aus Verhandlungskreisen. Auch die Banken, die ein kleineres Engagement bei Arcandor hätten, seien inzwischen zu diesem Schritt bereit. Als Bedingung drängten sie aber auf eine klare Ausstiegsmöglichkeit nach einem halben Jahr.

Die Arcandor-Großaktionäre Sal. Oppenheim und Schickedanz erklärten ihre Bereitschaft zu Kapitalspritzen für eine Rettung des angeschlagenen Handelskonzerns. Die Gesellschafter würden eine Kapitalerhöhung von bis zu 150 Millionen Euro gemäß ihrer Anteile mittragen, teilte Arcandor-Aufsichtsratschef Friedrich Carl Janssen mit. Er spreche dabei auch für den Pool um die Quelle-Erbin Madeleine Schickedanz. Sie hält zusammen mit der Industrieholding von Sal. Oppenheim rund 55 Prozent an Arcandor. Janssen ist persönlich haftender Gesellschafter von Sal. Oppenheim.

Bei Arcandor werden am 12. Juni Kredite über 650 Millionen Euro fällig. Für deren Refinanzierung benötigt der Konzern staatliche Hilfen. Größte Kreditgeber von Arcandor sind die BayernLB, die Commerzbank und die Royal Bank of Scotland.

Betriebsrätin: "Bin erschlagen"

Menschen vor Karstadt-Haus (Foto: AP)
Etwa 150 Beschäftigte demonstrierten in Dresden vor dem Kaufhaus von KarstadtBild: AP

Der Karstadt-Betriebsrat reagierte geschockt und mit Unverständnis auf die Ablehnung des Rettungskredites für Arcandor. "Ich bin total erschlagen, damit hab ich nicht gerechnet", sagte die Essener Gesamtbetriebsrätin Gabriele Schuster. Karstadt aus einer drohenden Insolvenz heraus zu sanieren, koste deutlich mehr Arbeitsplätze als eine Rettung, sagte sie. "Dafür hab ich kein Verständnis - so viele Existenzen, wie da dranhängen."

Vor den Karstadt-Kaufhäusern in vielen deutschen Städten geht derweil die Existenzangst um. Mitarbeiter des angeschlagenen Handelsunternehmens hielten am Montag Mahnwachen und baten Passanten in den Fußgängerzonen um Unterstützung im Kampf um ihre Arbeitsplätze. Auf der Frankfurter Einkaufsmeile Zeil stellten sich knapp 100 Verkäufer vor ihr Haus und sammelten Unterschriften. In Dresden demonstrierten rund 150 Karstadt-Mitarbeiter vor Beginn der Frühschicht mit einer Menschenkette. (mas/se/hp/rtr/dpa/ap/afp)