Rettet das Lahm!
9. November 2009Das Lahm hatte doch nur gespuckt. Es konnte einfach nicht anders. Es liegt in seiner Natur. Wenn das Lahm ständig gestört wird, sammelt sich nun mal in seinem Maul Flüssigkeit, und die muss irgendwann raus. Wochenlang war das Lahm im Münchner Bayern-Zoo belästigt worden. Ständig musste es über die rechte Seite laufen - obwohl es sich doch eindeutig links viel wohler fühlt. Dort hatte es sich als so schnell, ausdauernd und aggressiv erwiesen, dass es trotz seines eher defensiven Charakters manchmal für ein Raubtier gehalten worden war. Bis der neue Dompteur Louis kam: ein Niederländer, der Hochland-Tiere auf Trab bringen sollte. Das konnte nicht gut gehen.
Verschluckter Ärger wurde zu Spucke
Im Gegensatz zu den anderen Tieren im Zoo, die ebenfalls alles, was sie bisher getan hatten, anders machen sollten, erfüllte das Lahm die neue ungeliebte Aufgabe wie immer fleißig. Es redete sich ein, dass ihm das Laufen rechts genauso viel Spaß machte wie links. Und es versuchte zu ignorieren, dass sich die früheren Beutetiere inzwischen vor Lachen auf die Schenkel klopften, wenn sie ihre Münchner Gegner durchs Gehege stolpern sahen.
Das Lahm schluckte den Ärger herunter. Und würgte die Spucke hinauf. Als es sie nicht mehr zurückhalten konnte, landete der Auswurf auf einem Zeitungsblatt, unübersehbar für die ganze Stadt. Die Zoo-Leitung tobte. Manager Uli lief blutrot an und wollte dem Lahm ans Fell. Und Direktor Karlheinz maulte, das Lahm sei so blöd wie ein Kamel. Dann nahm er ihm einen Beutel Futter weg. Und das Lahm? Es verkroch sich in den hintersten Winkel des Geheges, verdrehte die Augen – und spuckte wieder.
Autor: Stefan Nestler
Redaktion: Arnulf Boettcher