Die Faust schnellt hoch, er wirbelt herum, schreit seine Freude heraus. Von Niko Kovac fällt eine Last ab, das ist förmlich zu sehen. Er läuft zu seinen Spielern, klatscht sie ab, herzt sie, flüstert lächelnd Worte in ihre Ohren. Von Entfremdung zwischen Trainer und Kader keine Spur. Kurz danach steht Niko Kovac einfach nur da, pustet durch und versucht, das gerade Geschehene zu verarbeiten.
Kein Verräter, sondern der Vater des Erfolgs
Der fünf Tage zuvor bekanntgegebene Wechsel des (Noch-)Eintracht-Trainers zum FC Bayern München am Ende der Saison hängt vor dem DFB-Pokal-Halbfinale beim FC Schalke 04 wie eine dunkle Wolke über dem Frankfurter Team. Niko Kovac gibt sich cool, blockt kurz vor dem Anpfiff Fragen zu allem anderen als zum Spiel ab. Es scheint, als habe er bei einer Pressekonferenz tags zuvor schon zu viel von sich preisgegeben: "Was an mich herangetragen wird, das trifft mich schon. Aber ich versuche das auszublenden", sagt Kovac und meint damit die Kritik an seiner Entscheidung pro FC Bayern. Er reklamiert für sich "auch nur ein Mensch" zu sein. Und völlig überraschend muss man ihm in diesem Punkt Recht geben.
Von "Verrat" war die Rede, von "Lügen" und von "Enttäuschung". Spott-T-Shirts gedruckt von Eintracht-Fans machen die Runde. Ein regelrechter Shitstorm tobte Ende vergangener Woche auf Twitter und schwappte wie eine Welle über den bis dahin so gefeierten Erfolgstrainer. Niko Kovac wird die Eintracht verlassen und ab Sommer den FC Bayern trainieren. So etwas soll vorkommen im Profigeschäft Fußball. Und doch trifft es viele Frankfurt-Fans. Das ist emotional verständlich, denn Kovac hat binnen zwei Jahren aus einem Abstiegskandidaten einen Europapokal-Anwärter und nun doppelten Pokalfinal-Teilnehmer gemacht. Und: Er hat sich wortreich zur Eintracht bekannt. So einer will plötzlich weg? Das nehmen ihm viele in Frankfurt krumm. Sie tun ihm damit unrecht. Denn Niko Kovac lebt seinen Job. Er wirft all seinen Willen und Ehrgeiz für seinen aktuellen Arbeitgeber in die Waagschale. Das hat er auf Schalke erneut eindrucksvoll bewiesen.
Rauswurf? Eine dumme Idee
Nach einem aufwühlenden und engen Pokal-Match in Gelsenkirchen, das die Eintracht auch durch taktische Disziplin gewinnt, sagt Kovac ein paar simple, aber wichtige Worte: "Ich will das Finale spielen, ich will es gewinnen." Gegen seinen neuen Verein. Eine Botschaft an alle, die genau daran zweifelten. Frankfurt werde Kovac nun noch vor dem Saisonende rauswerfen, schreiben bzw. fordern manche selbsternannte Experten in den sozialen Medien. Selbst der vom Wechsel seines Trainers tief getroffene Eintracht-Sportvorstand Fredi Bobic wird so einen Unfug nicht in Erwägung ziehen. Denn Mannschaft und Verein verdanken Kovac viel: "90 Prozent des Erfolgs ist Niko Kovac", sagte Kevin-Prince Boateng. Die Zahl ist sicher etwas hochgegriffen, aber die Botschaft ist eindeutig. Der Vater dieses Erfolges hat mehr Respekt verdient.
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