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Reporter-Tagebuch: "Auf geht’s! Mach was!"

25. Februar 2010

Unser Autor Karl Harenbrock hat bei seinen Dreharbeiten im Senegal gelernt, dass Frankreich offenbar nur einen Steinwurf weit weg ist.

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Menschen sitzen in einem Dorf im Kreis (Foto: DW)
Große Runde - Ohne Gespräche gibt es im Senegal keine EntscheidungBild: DW-TV

7.30 Uhr:

Die Servicekraft des Hotels Casa Africa hat heute Verspätung. Damit das Frühstück nicht ausfällt, gehe ich quer über die Straße und kaufe ein paar Baguette und eine Packung Schmierkäse – Made in France. Kostet rund 300 CEFA, umgerechnet rund 40 Eurocent. Die ehemalige Kolonialmacht Frankreich hat in der Frühstückskultur des Landes tiefe Spuren hinterlassen. Auf der Fahrt zum Drehort frühstückt das Team im Auto. Mineralwasser, Französisches Weißbrot und Schmierkäse.

Kinder sitzen an einem Tisch, vor ihnen zwei Solarlampen (Foto: DW)
Sonnenlicht - Die grünen Lampen leuchten für acht Stunden, lernen ist so jederzeit möglich.

8.30 Uhr:

Halt an einer Straßenkontrolle der Armee. Ein Soldat durchsucht das Auto und will unsere Pässe sehen. Auf der Hauptstraße der Bezirksstadt Ziguinchor, Richtung Grenze Gambia, gibt es zahlreiche Checkpoints der Armee. Der Fahrer erzählt, dass eine kleine Rebellengruppe die Unabhängigkeit der Provinz Casamance mit Waffengewalt durchsetzen will. Deshalb die Straßenkontrollen der Armee. Doch seit einem Jahr gibt es kaum noch Aktivitäten der Rebellengruppe, meint unser Dolmetscher. Trotzdem wird die Hauptstraße zwischen 19.00 Uhr abends und 8.00 Uhr morgens gesperrt für den Durchgangsverkehr. Für uns bedeutet das, spätestens um 19.00 Uhr wieder in der Stadt zu sein, im sicheren Hotel.

9.30 Uhr:

Wir treffen Abbas Diedhiou, der afrikanische Geschäftsführer des Solarunternehmens Kaito. – Kaito, der Name seiner Firma, ist gleichzeitig Programm, erzählt Abbas, der französisch und englisch spricht. In der lokalen Sprache heißt Kaito "Auf geht’s! mach was!"

11.00 Uhr:

Abbas ist in den 18 Dörfern in denen er seine Solarkioske einrichtet, der Star. Strom im Dorf – für die Menschen ist das eine Revolution, meint der Solartechniker Abbas. Alle grüßen uns. Mit Abbas an Bord sind wir überall herzlich willkommen. Abbas stellt mir einen älteren Mann vor. Ich soll raten, wie alt er wohl sein mag. Ich schätze den Mann auf 70 Jahre. Alle lachen, er ist mehr als 100 Jahre alt.

12.00 Uhr:

Am Brunnen sind die Frauen des Dorfes damit beschäftigt, Wasser zu holen. Der Brunnen ist 35 Meter tief. Ich wundere mich, dass der Grundwasserspiegel so tief liegt. Es ist sehr mühsam und schwer, einen 10-Liter Eimer hoch zu holen. Ich probiere es aus, einen Eimer am Seil aus dem Brunnen zu ziehen. Ganz schön schwer, da komm ich nach dem zweiten Eimer schon ins Schwitzen. Die Frauen machen das schon seit sechs Uhr früh und das sieben Tage in der Woche. Sie wünschen sich Elektromotoren, angetrieben durch Solarenergie. Sie meinen, dann hätten sie mehr Zeit für ihre Felder und müssten nicht stundenlang am Brunnen arbeiten.

15.00 Uhr:

In einem der Dörfer findet ein uraltes Ritual statt. Die Ältesten beraten schon den ganzen Tag. Mehr als 100 Männer sind versammelt, die Frauen kochen im Hof für die Versammlung. Es geht darum, Konflikte in den Dorfgemeinschaften auf friedliche Weise zu lösen. Wir wollen nicht stören und warten unter einem Apfelsinenbaum, bis die Beratungen und das Ritual vorbei sind. Die Dorfbewohner leben in Familienclans, die Häuser der Familienmitglieder stehen kreisrund. Bis vor 30 oder 40 Jahren lebten die Menschen noch in traditionellen Rundhütten mit Strohdach. Heute sind die Häuser aus Lehmziegeln mit einem Blechdach drauf.

15.30 Uhr:

Das Familienoberhaupt kommt und begrüßt uns im Hof. Er pflückt grüne Apfelsinen vom Baum und gibt jedem eine. Er trägt ein großes Kreuz auf der Brust, er ist Christ, ein Katholik. Das Zusammenleben mit den anderen Dorfbewohnern ist unproblematisch, auch wenn sie Moslems sind, sagt er. Wir sitzen in einer Runde mit einigen Dorfbewohnern unter dem Apfelsinenbaum und reden über Gott und die Welt. Ganz ernst werden die Landleute, wenn es um das Thema Wasser geht. Das größte Problem ist für sie, dass es immer weniger regnet, die Brunnen müssen immer tiefer gebohrt werden. Einen neuen Brunnen zu bohren, kostet rund 30 000 Euro. So viel Geld müssen die Dorfleute erst einmal verdienen mit ihren Apfelsinenbäumen.

16.30 Uhr:

Wir dürfen jetzt drehen, das Ritual ist beendet. Die Stimmung ist entspannt, der Friede in den Dörfern ist gerettet. Die Frauen bringen das Essen für die Männer. Auch wir werden zum Essen eingeladen. Das verwendete Kochwasser aus den Brunnen könnte uns Europäern nicht so gut bekommen, warnt Abbas. Deshalb warten wir lieber bis zum Abend im Hotel. Dort gibt es wie jeden Tag Hamburger mit Tomatenketchup – Made in France.

Autor: Karl Harenbrock

Redaktion: Klaus Esterluß