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Piefigkeit wird hip

24. Juni 2009

Schrebergärten und Campingplätze galten lange als Inbegriff deutscher Piefigkeit. Doch seit ein paar Jahren erfreut sich das kleine Stück Land in der Natur selbst bei Großstadt-Hipstern wachsender Beliebtheit.

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Hasenskulptur im Berliner Schrebergarten (Foto: DW)
Hier bin ich Hase, hier darf ichs sein!Bild: DW

Mitten im bevölkerungsreichsten Bundesland Nordrhein-Westfalen, in Dormagen am Rhein, hat Martin Poniewas seine eigenen Quadratmeter auf Rädern. Eingefasst von kleinen Gehölzen führt ein schattiger Feldweg zu seinem Heim. Vorbei an lichten Wäldchen, grasenden Pferden und grünen Feldern treibt es den 40-jährigen Tag für Tag zum Campingplatz. Denn Martin ist Dauercamper. "Ich bin schon hier, seit ich sechs Wochen alt bin, und habe schon seit vielen Jahren einen eigenen Wohnwagen." Seit zehn Jahren wohnt er darin auch mehrere Monate im Jahr.

Berliner Schrebergarten (Foto: DW)
Ob das der Schrebergartenverordnung entspricht?Bild: DW

Knapp 400.000 Deutsche verbringen jedes Jahr von Anfang April bis Ende Oktober die Saison im Campingwagen - Martin ist einer von ihnen. Für den Angestellten endet damit der Alltag schon auf dem Weg nach Hause. "Camping ist eine Lebenseinstellung", sagt er. "Entweder man mag es oder man mag es nicht." Und dass es für die meisten nichts ist, kann er durchaus nachvollziehen. "Die sagen sich, so ein Wohnwagen, das ist nicht meine Welt. Ich brauche mein Schlafzimmer, meine Küche, mein Badezimmer."

"Wie eine Familie"

Ein paar Wagen weiter wohnt die junge Mutter Natalie. Sie schätzt am Campen vor allem die überschaubaren Kosten. Etwa 500 Euro kostet ein Stellplatz im Schnitt für die ganze Saison. Und dafür gibt es Natur, Ruhe und "den speziellen Camping-Charakter", den die 24-Jährige so mag. "Unsere Reihe ist fast wie eine Familie. Hier kennt jeder jeden. Wenn mal was passiert, ist der andere dann auch zur Stelle und hilft."

Das sind Sätze, die man auch 20 Kilometer weiter nördlich immer wieder hört, in einem Kleingartenverein der Stadt Neuss. Zwischen Blumenbeeten und Tomatenstauden im Schatten wuchtiger Apfelbäume liegen hier 150 Kleingärten. Von denen gibt es bundesweit mehr als 1,3 Millionen. Tendenz steigend. Vor allem in Großstädten wie Berlin und Hamburg zieht es die Leute in die Schrebergärten. Auch immer mehr junge wollen zurück zur Natur. Toni Schäfer ist einer von ihnen. "Das Entspannen von der Arbeit, sehen, wie sich die Pflanzen entwickeln, wie Rosen aufblühen, wie in einem Biotop sich Frösche bewegen - das sind die schönen Seiten des Gartens."

Gehege für Gartensheriffs

Berliner Schrebergarten (Foto: DW)
Unbändige Natur - auf 20 Qudratmeter gebanntBild: DW

Schrebergärten oder Laubenkolonien entstanden Mitte des 19. Jahrhunderts in Paris und Luxemburg. In Deutschland gibt es sie seit der Jahrhundertwende. Damals hießen sie noch Arbeitergärten. Es ging darum, den Arbeitern, die in Mietskasernen auf engstem Raum lebten, eine Abwechslung zu bieten und auch den Zusammenhalt der Familien zu fördern.

Damals und auch heute noch ist die Nutzung der Kleingärten strengen Regeln unterworfen. So darf die "Freizeitfläche" eines Kleingartens nicht mehr als ein Drittel der Gesamtfläche des Gartens ausmachen. Wer aus der Vorschrift eine Tugend macht, baut sein eigenes Gemüse und Obst an. Dauerhaftes Wohnen wie beim Campen ist im Kleingarten jedoch tabu - aber ihren Urlaub verbringen hier viele.

Autor: André Sarin

Redaktion: Manfred Götzke