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Religionsfreiheit beschnitten?

27. Juni 2012

Das Urteil der Kölner Richter, die religiöse Beschneidung eines Jungen als Körperverletzung zu werten, löst eine Welle der Empörung aus. Jüdisches Leben werde "faktisch unmöglich", hieß es etwa vom Zentralrat der Juden.

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Ein Kleinkind auf einem Kissen im Kreise einer jüdischen Familie (Foto: dapd)
Beschneidung JudentumBild: AP

Eingriff in die Religionsfreiheit oder Schutz vor Körperverletzung - das Urteil des Kölner Landgerichts gegen die Beschneidung von Jungen aus religiösen Gründen hat Kritik von Juden, Muslimen und den christlichen Kirchen ausgelöst.

Der Zentralrat der Juden in Deutschland reagierte empört. Dessen Präsident Dieter Graumann nannte das Urteil einen unerhörten und unsensiblen Akt. "Die Beschneidung von neugeborenen Jungen ist fester Bestandteil der jüdischen Religion und wird seit Jahrtausenden weltweit praktiziert", sagte Graumann. Der Zentralrat forderte den Gesetzgeber auf, die Religionsfreiheit zu schützen.

Der Koordinationsrat der Muslime in Deutschland (KRM) sagte zu dem Richterspruch, es sei ein "massiver Eingriff in die Religionsfreiheit und in das Elternrecht". KRM-Sprecher Ali Kizilkaya kritisierte in Köln vor allem, dass die Entscheidung zu Rechtsunsicherheit führe. Im Koordinationsrat sind die großen muslimischen Verbände in Deutschland zusammengeschlossen.

Entscheidung "äußerst befremdlich"

Nach Ansicht der katholischen Deutschen Bischofskonferenz in Bonn gefährdet das Urteil die Religionsfreiheit der Juden und Muslime in Deutschland. Die Bischofskonferenz beklagte die Entscheidung als "äußerst befremdlich".

Auch die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) übte Kritik. Die Religionsfreiheit und das elterliche Erziehungsrecht seien unzureichend gegen das Recht des Kindes auf körperliche Unversehrtheit abgewogen worden, erklärte die EKD in Hannover. Die Entscheidung bedürfe deshalb der Korrektur, um in Deutschland Rechtssicherheit zu schaffen.

Das Kölner Landgericht hatte in seiner am Dienstag (26.6.2012) veröffentlichten Entscheidung die Auffassung vertreten, eine Beschneidung aus religiösen Gründen sei strafbar. Sie sei auch nicht durch die Einwilligung der Eltern gerechtfertigt, da sie nicht dem Wohl des Kindes entspreche. Der Körper des Kindes werde durch die in Islam und Judentum verbreitete Beschneidung "dauerhaft und irreparabel verändert". Das Erziehungsrecht der Eltern sei "nicht unzumutbar beeinträchtigt", wenn sie abwarten müssten, ob sich der Junge später als Volljähriger für eine Beschneidung entscheide.

re/SC (epd, kna, dapd, dpa)