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Religion im Kino

Jochen Kürten15. Mai 2013

Über die Leinwände flimmern zunehmend Filme, die vom Glauben erzählen. Feiern religiöse Themen im Kino ein Comeback? Oder ist das Genre einfach nur ein Dauerbrenner der Filmgeschichte?

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Junge Nonne steht neben einer Treppe - Szene aus dem Film "Die Nonne" (Foto: Belle Epoque Films)
Bild: Belle Epoque Films

Religion ist ein aktuelles Top-Thema der Regisseure weltweit. Bei der Berlinale wurden gleich mehrere Filme mit religiöser Thematik gezeigt. Schaut man auf die aktuellen Kinospielpläne, so fällt auch hier auf: Eine Vielzahl von Filmen beschäftigt sich mehr oder weniger dezidiert mit Kirche, Religion und Glauben.

Reiche Berlinale-Ausbeute

Der französische Berlinale-Beitrag "Die Nonne" basiert auf einem Text von Dennis Diderot und erzählt von den Nöten einer jungen Novizin in einem abgelegenen Kloster. Auch "Camille Claudel 1915" beschränkt sich auf einen einzigen Schauplatz: ein Kloster, das zur letzten Heimstätte der Bildhauerin Camille Claudel wird. Der polnische Film "Im Namen des…" von Regisseurin Malgorzata Szumowska schildert die seelischen Nöte eines jungen Priesters, der sich sexuell zu Männern hingezogen fühlt. In den Kinos ist gerade der neue Film des Österreichers Ulrich Seidl angelaufen, dessen Titel keinen Zweifel daran lässt, um was es geht: "Paradies: Glaube".

Eine junge Frau liegt auf dem Bett, an der Wand über ihr hängt ein Kruzifix - Szene aus dem Film bzw. Fotografie aus dem Film "Paradies: Glaube" von Ulrich Seidl (Foto: Ulrich Seidl)
Ulrich Seidls "Paradies: Glaube"Bild: Ulrich Seidl

Ist das nun ein Trend? Sucht das Weltkino in Zeiten geistiger Orientierungslosigkeit sein Heil in religiösen Stoffen? So bemerkenswert die derzeitige Häufung von Filmen mit religiösem Inhalt ist, es hat wohl kaum ein Jahrzehnt seit der Erfindung der siebenten Kunst gegeben, indem nicht unzählige Filme zum Thema Religion in die Lichtspielhäuser gekommen sind. Schon die Brüder Lumière, die das Kino 1895 in Frankreich aus der Taufe hoben, haben einen Jesus-Film realisiert. Auch Hollywood wandte sich früh dem Bibelfilm zu, der in den 1950er Jahren Triumphe feierte. Kaum ein großer Regisseur der Filmgeschichte, der sich nicht in seinem Leben mit dem Thema auseinandergesetzt hat.

Jesus reitet auf einem Esel in die Stadt Jerusalem - Szene aus "König der Könige" von Nicholas Ray (Foto: picture alliance/ kpa)
Spezialität aus Hollywood: Bibelfilme wie Nicholas Rays "König der Könige"Bild: picture-alliance/KPA

Religion war schon immer präsent im Kino

"Das Kino hat sich immer wieder mit gesellschaftlich wichtigen Fragen beschäftigt, und eines der relevantesten Themen ist natürlich die Religion", sagt der Chefredakteur der katholischen Fachzeitschrift Film-Dienst, Horst-Peter Koll. "Es gab immer wieder einzelne Regisseure, die das Thema in Geschichten aufgegriffen und daraus zum Teil wirklich große Erfolgsfilme gemacht haben."

Auch die Themenbreite war dabei immer weit gefächert. Peter Hasenberg ist bei der katholischen Deutschen Bischofskonferenz für das Referat Film und medienpolitische Grundsatzfragen zuständig: "Es gab Versuche, vorbildhafte Figuren des Glaubens darzustellen, Filme über Probleme, die Gläubige haben im Hinblick auf das Leben, das sie führen, bis hin zur komödiantischen Behandlung von Themen des Glaubens: Da ist eine ganz große Bandbreite zu erkennen."

Jesus schleppt das Kreuz zur Hinrichtungsstelle - der Schauspieler James Caviezel in einer Szene aus dem Film "Die Passion Christi" des Regisseurs Mel Gibson (Foto: Philippe Antonello/Constantin dpa)
Höchst umstritten: Mel Gibsons "Die Passion Christi"Bild: picture-alliance/dpa

Über viele Filme, die das Thema Religion abhandeln, wurde in der Kinohistorie heftig gestritten. Im Zentrum der Kontroversen standen weniger Werke mit schlichten religiösen Botschaften: "Die interessantesten Filme religiösen Inhalts in der Filmgeschichte kommen von Leuten, die sich kritisch mit dem Glauben auseinandergesetzt haben: Ingmar Bergman oder Luis Buñuel zum Beispiel", sagt Hasenberg.

Knieender junger Mann, beobachtet von zwei Frauen mit gefalteten Händen - Szene aus dem Luis Bunuel-Film "Nazarin" (Foto: keine Angaben)
Kirchenskeptiker Luis Buñuel: Szene aus "Nazarín"

Nicht nur das Christentum wird thematisiert

"Die Kirche hat sich immer schon mit Film beschäftigt und es gibt eigentlich keine gesellschaftliche Gruppe, die das so ausgiebig macht", betont Hasenberg. Dabei schauen die Beobachter der konfessionellen Filmpublizistik keinesfalls nur auf christliche Themen: "Das Kino hat sich auch in seinen religiösen Bezügen längst aus der Begrenzung auf den christlich-westlichen Kulturkreis gelöst, es verarbeitet religiöse Elemente aus den verschiedensten Traditionen", so Karsten Visarius, Leiter des Filmkulturellen Zentrums der Evangelischen Kirche in Deutschland, in einem aktuellen Text der Zeitschrift epd Film.

Was ist überhaupt ein religiöser Film? Etwa nur der, der Priester und Nonnen zu Hauptdarstellern macht? Der über Glaubenskriege und Kirchenkrisen berichtet? Wohl kaum. Hasenberg weist auf die vielen Werke hin, die sich nur unterschwellig mit Themen wie Sinnsuche und Transzendenz auseinandersetzen: "Es gibt generell Filme, die eine starke Affinität zum Religiösen haben. Das sind Filme, in denen es um Erlösung geht, um Schuld und Vergebung, um den Sinn des Lebens, um den Umgang mit Tod, das Sterben, Jenseitsfragen." Da gebe es Filme, die häufig nicht explizit auf bestimmte Glaubensinhalte und schon gar nicht auf konfessionelle Bindung eingehen, die aber stark geprägt sind von Suchbewegungen.

Jesus mit Dornenkrone - Willem Dafoe als Jesus mit Dornenkrone in Martin Scorseses "Die letzte Versuchung Christi" (Foto: picture alliance dpa)
Jesus-Interpretation von Martin Scorsese in "Die letzte Versuchung Christi"Bild: picture-alliance/dpa

Fragen nach dem Sinn des Lebens

Das betrifft auch viele große Action- und Fantasyfilme der letzten Jahre wie "Matrix" oder "Herr der Ringe". Und auch die Endzeitdramen, die aus Hollywood kommen und bei denen die Welt auf der Leinwand in Schutt und Asche gelegt wird: "Apokalyptische Szenerien sind die deutlichsten Spuren religiöser Erbschaften im Gegenwartskino, ob in amerikanischen Blockbustern oder in Autorenfilmen", so Karsten Visarius. Das Thema Religion habe gerade im Kino sehr viel zu tun mit Fragen nach dem Sinn des Lebens, es gebe Orientierungshilfe, stelle Fragen nach Mitmenschlichkeit, ist Horst-Peter Koll überzeugt: "Das hat oft eine spirituelle Dimensionen. Das findet man in allen mythischen Geschichten. Alle Mythologien haben etwas mit Religion zu tun."
Aktuelle Filme mit religiöser Thematik sind also nur weitere Glieder in einer schier endlosen Kette von Werken mit religiöser Thematik, die die Filmhistorie seit ihren Anfängen begleiten. Gleichzeitig stehen sie für eine aktive Auseinandersetzung der Filmemacher mit den großen Fragen der Zeit. Manchmal geht es auch um eine direkte Auseinandersetzung mit Kirche und deren Institutionen. "In diesen Filmen werden überwiegend Probleme gezeigt, die das spiegeln, was auch in der Kirche diskutiert wird", so Hasenberg.

Frau, die ihr Hände faltet - Filmplakat von Camille Claudel-1915 (Foto: keine Angabe/Berlinale)
Der Berlinale-Film "Camille Claudel 1915" spielt im Kloster