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Reisewarnungen und Wirtschaftsinteressen

Sven Pöhle16. August 2013

Das Auswärtige Amt reagiert auf die Lage am Nil und rät von Reisen nach Ägypten ab. Eine offizielle Reisewarnung ist dies aber nicht. Diese höchste Alarmstufe des Ministeriums hat für viele Länder gravierende Folgen.

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Eine Absperrung der Flughafen-Sicherheit versperrt im Flughafen in Frankfurt am Main den Durchgang durch eine mit einem Strandfoto beklebte Tür (Foto: pa/dpa)
Bild: picture-alliance/dpa

"Vor Reisen wird eindringlich gewarnt" - so klingt die höchste Alarmstufe des Auswärtigen Amtes. Die sogenannten Reisewarnungen sind Empfehlungen, keine Verbote: "Die Entscheidung über die Durchführung einer Reise liegt allein in Ihrer Verantwortung", heißt es auf der Internetseite des Auswärtigen Amts..

Reisewarnungen gibt es derzeit für neun Länder. Dazu gehören Jemen, Afghanistan, Irak, Syrien und Haiti. Für weitere 14 existieren Teilreisewarnungen, die vom Besuch bestimmter Gebiete in einem Land abraten - so auch für Ägypten.

Angesichts der unsicheren Situation im Land hat das Auswärtige Amt seine Teilreisewarnung stetig verschärft: "Aufgrund der aktuellen Lage und der Unvorhersehbarkeit der Entwicklungen wird von Reisen nach Ägypten derzeit abgeraten", heißt es inzwischen. Von einem Besuch der Hauptstadt Kairo, des Nildeltas und der Touristenzentren Luxor und Assuan rät das Außenministerium "dringend" ab. Vor Reisen in den Nord-Sinai und in das ägyptisch-libysche Grenzgebiet wird gewarnt.

Reisewarnungen = finanzieller Schaden

"Reisewarnungen führen zu wirtschaftlichen Einbußen der Reiseveranstalter und sind zudem ein Eingriff in die Wirtschaft eines betreffenden Landes", sagt der Reiserechtler Ernst Führich von der Hochschule Kempten. Liegt eine formelle Reisewarnung vor, können Urlauber ihre Reise in der Regel kostenlos stornieren. Die Reiseindustrie bleibt in dem Fall auf ihren Kosten sitzen, so Führich im Gespräch mit der Deutschen Welle.

Auch das von der Warnung betroffene Land kann unter den ausbleibenden Touristen leiden: In Ägypten brachen die Besucherzahlen während der Aufstände des arabischen Frühlings ein. Die Zahl deutscher Touristen halbierte sich in den Frühlingsmonaten 2011 im Vergleich zum Vorjahr. Zwei Jahre später sind die Zahlen wieder auf das Niveau vor dem arabischen Frühling gestiegen. Vor dem Hintergrund der jüngsten Unruhen im Land steht nun aber ein erneuter Besuchereinbruch zu befürchten.

Ein Laufband in einem Terminal des Flughafens Kairo (Foto: pa/dpa)
Leerer Flughafen in Kairo - nach den Unruhen 2011 brachen die Besucherzahlen einBild: picture-alliance/dpa

"Wir haben eigentlich schon den Sommer verloren. Jetzt werden wir sicherlich die Wintersaison auch noch einmal verlieren", beschreibt Rainer Herret, Geschäftsführer der Deutsch-Arabischen Industrie- und Handelskammer in Kairo, die Lage der deutschen Tourismusbranche in Ägypten. Auf den deutschen Handel habe die aktuelle Teilreisewarnung hingegen wenig Einfluss, sagt Herret. Nur bei akuter Bedrohungslage würden deutsche Unternehmen ihre Mitarbeiter aber außer Landes bringen. In wenigen Fällen empfiehlt das Auswärtige Amt in seinen Reisewarnungen auch die Ausreise aller im Land verbliebenen Deutschen - derzeit beispielsweise in Syrien oder Somalia.

Informationen sammeln und auswerten

Generell sammelt die deutsche Botschaft vor Ort Informationen und wertet diese aus. Dann gibt sie ihre Empfehlung an das entsprechende Regionalreferat des Außenministeriums weiter. Dort wird der Hinweis, falls notwendig, bearbeitet, bevor er aus der Zentrale des Auswärtigen Amts veröffentlicht wird.

Transparente Kriterien für die Reisehinweise und -warnungen gibt es beim Auswärtigen Amt nicht, sagt ein Mitarbeiter des Ministeriums. Ausgangslage und Informationslage seien in jedem Land zu unterschiedlich.

Ägyptische Polizisten bewachen die deutsche Botschaft in Kairo (Foto: pa/dpa)
Die deutsche Botschaft in KairoBild: picture-alliance/dpa

Ihre Erkenntnisse gewinnen die Botschaften aus verschiedenen Quellen. Informationen erhalten sie unter anderem von Botschaften anderer Länder, dem Bundesnachrichtendienst, den Vereinten Nationen, den Honorarkonsulaten im Land und aus der örtlichen Presse - sowie aus der Wirtschaft. "Natürlich redet die Botschaft auch mit uns als Handelskammer, sie spricht mit den Unternehmen vor Ort und informiert sich sehr genau", sagt Rainer Herret.

Wirtschaftsinteressen vor der Sicherheit der Bürger?

Der Reiserechtler Führich vermutet, dass auch deutsche Wirtschaftsinteressen eine Rolle bei der Entscheidung für oder gegen eine Reisewarnung spielen und Lobbyisten aus der Tourismusbranche einen Einfluss auf diese haben. Sein Vorwurf: Für Länder, die weniger deutsche Touristen besuchen, spreche das Außenministerium schneller Reisehinweise aus als beispielsweise für ein Land wie Ägypten. Dort sind die deutschen Urlauber die zweitgrößte Touristengruppe.

Auf Anfrage der Deutschen Welle heißt es von offizieller Seite: "Entscheidendes Kriterium für die Aktualisierung der Reise- und Sicherheitshinweise ist die Sicherheit der Reisenden und der Deutschen vor Ort." Wirtschaftliche Interessen fließen auch mit in die Informationslage ein, sagt eine andere Quelle aus dem Außenministerium. Sie seien aber kein ausschlaggebender Faktor für eine Reisewarnung.

Rainer Herret, Geschäfstführer AHK-Kairo (Foto: AHK)
Herret: "Nur wenn irgendwo etwas passiert, schaut man sich die Reisewarnungen an"Bild: AHK

Rainer Herret von der Deutsch-Arabischen Handelskammer räumt den Reisehinweisen und -warnungen generell eine untergeordnete Rolle ein: "Was die Menschen wirklich abhält, nach Ägypten zu kommen - sei es für eine Geschäftsreise oder auch für Tourismus - ist eher das, was sie im Fernsehen sehen: Wenn sie das Gerät einschalten und den Eindruck bekommen, dass im ganzen Land Bürgerkrieg herrscht."