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Reibungslos und lukrativ

Jens Krepela31. Juli 2015

Almaty oder Peking - wer wird Gastgeber für die Olympischen Winterspiele 2022? Die beiden verbliebenen Kandidaten punkten nicht gerade bei Demokratie und Menschenrechten. Aber das ist kein entscheidender Makel.

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Olympische Winterspiele Sotschi Abschlussfeier
Bild: Reuters

Der Entscheidung für den Gastgeber der Winterspiele 2022 auf dem IOC-Kongress in Kuala Lumpur ging ein denkwürdiges Bewerbungsverfahren voraus: Gleich fünf Anwärter zogen ihre Kandidatur zurück. In München, dem schweizerischen Kanton Graubünden und in Krakau sprachen sich die Bürger mehrheitlich dagegen aus. In Stockholm und Oslo zogen die Politiker die Reißleine. So unterschiedlich die Bewerber sich präsentierten, so gleich sind die Gründe für ihren Ausstieg. Alle fürchten die Kosten und den Gigantismus für ein zweiwöchiges Sportfest.

Die verbliebenen Kandidaten Peking und Almaty eint, dass sie allzu große Opposition gegen die Spiele nicht zu fürchten haben. Weder in China noch in Kasachstan zählt Meinungsfreiheit zu den höchsten Gütern. Während Almaty aber immerhin mit einer Tradition als Wintersportort aufwarten kann, geben die chinesischen Organisatoren freimütig zu, massiv auf Schneekanonen zurückgreifen zu wollen. Naturschnee ist nämlich auch im 250 Kilometer von Peking entfernten Zhangjiakou in den Bergen auch im Winter eher rar.

Russland als Mustergastgeber

Egal wer das Rennen macht, es ist der neuerliche Beweis für einen sportpolitischen Trend, der sich im vergangenen Jahrzehnt verfestigt hat. Ob Olympia, Formel 1 oder Fußball - Sportgroßereignisse werden von den Verbänden gerne in autokratisch regierte Länder vergeben. Ein Grund: Sie garantieren einen vergleichsweise reibungslosen Ablauf, weitgehend frei von ökologischen oder sozialen Diskussionen.

Formel 1 Grand Prix in Sotschi Russland Besuch Wladimir Putin mit Nico Rosberg (Foto: REUTERS/Laszlo Balogh)
Wladimir Putin (r.) zeigt sich gerne als Förderer des Sports - hier mit Nico Rosberg bei der Formel 1 in SotschiBild: REUTERS/L. Balogh

Bestes Beispiel ist Russland. In diesen Tagen messen sich die besten Schwimmer der Welt bei der Schwimm-WM in Kasan. Dafür wurde eigens die Kasan-Arena zum Schwimmbad umgerüstet. Im gleichen Stadion treten in drei Jahren die weltbesten Kicker gegen den Ball, bei der Fußball-WM 2018 in Russland. Die Formel 1 fährt neuerdings in Sotschi im Kreis herum - dort, wo im vergangenen Jahr noch die Athleten bei den Olympischen Winterspielen um Medaillen kämpften.

Dass sich derlei Sportevents in Putins Reich ballen, ist kein Zufall. Der erste Mann im Kreml wirbt aktiv um die Veranstaltungen und greift dafür tief in die Staatskasse. So sollen die Winterspiele in Sotschi rund 45 Milliarden Euro verschlungen haben. Zum Vergleich: Anfang der Woche erklärte Bostons Bürgermeister Marty Walsh: "Ich werde kein Dokument unterzeichnen, das einen Dollar Steuergeld für einen Penny an Mehrkosten für Olympia aufs Spiel setzt." Das bedeutete das Ende für Bostons Olympia-Bewerbung für die Sommerspiele 2024.

IAAF pfeift auf Bewerbungsverfahren

Wer erhält den Zuschlag für die nächste Großveranstaltung? Bei dieser Überlegung der internationalen Sportverbände spielt Gewinnmaximierung eine große Rolle, nicht zuletzt, weil sie sich hauptsächlich aus den Einnahmen der Events finanzieren. Unrühmlichstes Beispiel aus der jüngsten Vergangenheit ist die Vergabe der Leichtathletik-WM 2021 an Eugene in den USA. Dafür wurde sogar das sonst übliche Bewerbungsverfahren ausgesetzt. Wegen eines "finanziell attraktiven Pakets" habe er vielmehr "eine Entscheidung im Interesse der globalen Entwicklung unseres Sport getroffen" ließ Lamine Diack, Präsident des Leichtathletik Weltverbandes, verlauten.

Symbolbild Leichtathletik WM 2021 in Eugene, Sprinterin vor dem Start (Foto: Jonathan Ferrey/Getty Images)
Solvente Sponsoren, viel Fernsehgeld - Eugene hatte das lukrativste PaketBild: J. Ferrey/Getty Images

Umdenken bei den Sportverbänden?

Vor diesem Hintergrund ist auch der Aufstieg potenter Gastgeber wie der Golfstaaten in den Kreis ernstzunehmender Sportausrichter zu erklären. Der größte Coup, die Fußball-WM 2022 in Katar, könnte allerdings zum Wendepunkt werden. Angesichts der anhaltenden Diskussionen um zahllose Menschenrechtsverletzungen scheinen die großen Sportorganisationen ihre reine Profitorientierung zu überdenken. Anders als beim Fußball-Weltverband FIFA, der nach dem angekündigten Rücktritt von Präsident Joseph Blatter noch in internen Querelen verharrt hat das Internationale Olympische Komitee Reformen angekündigt.

Mit seiner "Agenda 2020" will IOC-Präsident Thomas Bach die gigantischen Kosten für olympische Spiele dämpfen. Außerdem sollen die Verträge des IOC mit den Gastgebern transparenter werden. Noch ist davon nichts umgesetzt, bis zum Herbst soll es aber soweit sein. Womit es auch aus deutscher Sicht interessant wird. Denn Meldeschluss für das nächste Olympia-Rennen ist am 15. September. Hamburg hat seinen Hut für die Sommerspiele 2024 schon in den Ring geworfen, ebenso wie Paris, Rom und Budapest. Mit einer Bewerbung aus Baku ist ebenfalls noch zu rechnen.

Thomas Bach (Foto: EPA/JEAN-CHRISTOPHE BOTT)
Wird die "Agenda 2020" von Thomas Bach etwas ändern?Bild: picture-alliance/dpa/J.-C. Bott