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Region im Wasserstress

14. August 2012

Israel, das Westjordanland und Jordanien konkurrieren um das Jordanwasser und dieselben unterirdischen Wasservorkommen. Das ist Grund für Spannungen, aber auch eine Chance für engere Kooperation.

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Foto: Warnschild am trockenen Ufer des Toten Meers (Quelle: ddp/AP)
Das Tote Meer: Sein Wasserspiegel sinkt jedes Jahr um einen Meter.Bild: ddp images/AP Photo/Dan Balilt

Vom Jordan, einem der geschichtsträchtigsten Flüsse im Nahen Osten, bleibt immer weniger übrig. Der wichtigste Zufluss zum berühmten Toten Meer kommt nur noch als Rinnsal dort an und der Wasserspiegel des "Meeres", das eigentlich ein See ist, sinkt um einen Meter – jährlich.

Aber was passiert mit dem Jordan? Die Umweltorganisation Friends of the Earth Middle East (FoEME) berichtet, dass 98 Prozent des Wassers aus dem Jordan-Fluss von den Anrainern abgezweigt wird. Israel, Jordanien, die Palästinensergebiete und Syrien konkurrieren um das Jordanwasser und die Grundwasservorkommen der Region.

Knappes Gut

Foto der Mujib-Talsperre am Wadi Mujib, einem Seitenfluss des Jordan, gesehen aus etwa 25 Kilometer (15 Meilen) Entfernung (Foto: Verity Cridland, genutzt unter CC-BY-Lizenz; Quelle: http://www.flickr.com/photos/58789412@N00/124291425/in/photostream/; Lizenz: http://creativecommons.org/licenses/by/2.0/deed.de)
Die Anrainer des Jordan zweigen das Flusswasser fast komplett ab.Bild: CC/Verity Cridland

"Wasserstress" – so nennen Experten die Situation, in der sich diese Länder befinden. Allerdings: “Bisher ist die Wasserknappheit in der Region nicht primär aus dem Klimawandel zu erklären“, sagt Ines von Dombrowsky vom Deutschen Institut für Entwicklungspolitik (DIE). Die Region ist seit jeher trocken, und der Wasserverbrauch ist hoch. Noch dazu wächst die Bevölkerung sehr schnell, jedes Jahr um zwei bis drei Prozent. Langfristig werde aber der Klimawandel das Wasserproblem noch verschärfen, so von Dombrowsky.

Wie stark sich der Klimawandel auf das Jordan-Becken auswirken wird, hat das “GLOWA Jordan River”-Projekt untersucht. Es vereint jordanische, israelische, palästinensische und deutsche Wissenschaftler. Einer von ihnen ist Jens Lange von der Universität Freiburg. “Die Wasserressourcen werden abnehmen”, erläutert er die Forschungsergebnisse. “Denn wie im gesamten Mittelmeerraum nimmt der Niederschlag ab und die Verdunstung zu.”

Ungleiche Verteilung

Und: Der Zugang zum Wasser ist ungleich. Während für die palästinensische Bevölkerung im Westjordanland fließendes Wasser ein Problem ist, haben jüdische Siedlungen wenige Kilometer weiter Swimmingpools; Felder werden mit Sprinkleranlagen bewässert. Statistisch, so rechnet die Menschenrechtsorganisation Amnesty International vor, habe ein Palästinenser im Schnitt rund 70 Liter Wasser am Tag zur Verfügung, ein Israeli dagegen rund 300 Liter. Die israelische Regierung erlege der palästinensischen Bevölkerung strenge Regeln auf: Palästinenser müssten den Bau neuer Brunnen bei den israelischen Behörden genehmigen lassen. Solch eine Genehmigung, so ein Bericht der Weltbank, werde jedoch selten erteilt.

“Im Westjordanland ist Wasser nicht von Natur aus knapp, unter dem Westjordanland gibt es genügend Wasser“, sagt Amjad Aliewi, palästinensischer Wasser-Experte und Professor für Grundwasserbewirtschaftung. “Es ist die israelische Besatzungspolitik, die Wasser für die Palästinenser knapp macht.” Den Palästinensern bleibe oft wenig übrig, als Wasser zu hohen Preisen von Israel zu kaufen. Clive Lipchin, Direktor der israelischen Umweltorganisation “Arava Institute”, sagt: “Es stimmt, dass die Palästinenser weniger Wasser erhalten. Aber sie nutzen auch weniger Wasser.” Nur ein bindendes Abkommen, so Lipchin, könne das Problem lösen.

Foto: Ein Palästinenser befüllt seine Plastikflasche mit Wasser von einem Brunnen in der Nähe des Al Baqa' Flüchtlingscamps in Amman 2009 (Foto: ddp images/AP Photo/Mohammad abu Ghosh)
Die Verteilung der Wasserressourcen in der Region ist ungleich.Bild: ddp images/AP Photo/Mohammad abu Ghosh

Red-Dead-Projekt

Einen Ausweg soll das “Red-Dead-Projekt” bringen: Ein Kanal vom Roten Meer bis zum Toten Meer. Wasser aus dem Roten Meer könnte dann durch eine 177 km lange Pipeline in das schwindende Tote Meer fließen. Zugleich soll durch Wasserkraft Energie erzeugt werden, denn das Rote Meer liegt 417 Meter höher als das Tote Meer. Zwei Fliegen, so die Hoffnung, könnten so mit einer Klappe geschlagen werden: Das Tote Meer wird aufgefüllt, und die Regionen entlang des Kanals sollen zugleich mit Wasser aus dem Roten Meer versorgt werden, nachdem es durch Entsalzungsanlagen gegangen ist.

Foto der Meerwasser-Entsalzungsanlage von Hadera, Israel. (Foto: ddp images/AP Photo/Ariel Schalit)
Die größte Meerwasser-Entsalzungsanlage der Welt in Hadera, Israel.Bild: ddp images/AP Photo/Ariel Schalit

Welche neuen Probleme das von den Anrainer-Regierungen initiierte Riesen-Projekt schaffen könnte, ist aber noch nicht klar. Das sollen Machbarkeitsstudien ausloten. Das ohnehin stark gestörte ökologische Gleichgewicht des Toten Meeres könnte durch die andere Zusammensetzung des Wassers aus dem Roten Meer noch weiter leiden, schreibt unter anderem der Geologische Dienst  von Israel (Geological Survey of Israel). Der Kanal umgehe auch nur das eigentliche Problem, sagt der palästinensische Wasser-Experte Amjad Aliewi. “Die natürliche Lösung ist, weniger Wasser aus dem Jordan abzuzweigen.” Ein weiteres potentielles Problem ist, dass die Kanal-Route in einem Erdbebengebiet liegt. Bricht das Rohr während eines Bebens, könnte das salzige Wasser das Grundwasser verunreinigen.

Wasserquelle Mittelmeer

Israel macht sich inzwischen seine Lage am Mittelmeer zunutze, um zusätzlich Wasser zu gewinnen: Es entsalzt Meerwasser. Drei Entsalzungsanlagen sind bereits in Betrieb. 30 Prozent des in Haushalten genutzten Wassers wird durch entsalztes Meerwasser gedeckt, und es soll mehr werden: „Die Anpassung an den Wassermangel läuft auf Hochtouren“, sagt Clive Lipchin vom Arava Institute: „Bis 2020 wollen wir bis zu 80 Prozent des Haushaltsbedarfs mit entsalztem Wasser decken.“

Doch auch die Entsalzung hat Nachteile: Der Prozess verbraucht viel Energie. “Bisher werden die Anlagen mit fossiler Energie betrieben, also tragen sie zum Klimawandel bei“, erklärt Lipchin. Zwei weitere herkömmliche Entsalzungsanlagen sind derzeit in Planung. In Zukunft wird es jedoch möglich sein, solche Anlagen mit Sonnenstrom zu betreiben.

Autorin: Brigitta Moll
Redaktion: Ranty Islam