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Erfolg mit starkem Kammerspiel

Heike Mund14. Mai 2016

Regisseurin Maren Ades Spielfilm "Toni Erdmann" ist der erste deutsche Wettbewerbsbeitrag bei den Filmfestspielen in Cannes seit 2008 - und die internationalen Kritiker sind begeistert. Für viele gilt sie als Favoritin.

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Regisseurin Maren Ade in Cannes. (c) Reuters/J.-P. Pelissier
Bild: Reuters/J.-P. Pelissier

In Cannes rechnen viele schon jetzt mit einem Preis für die junge Regisseurin. Ihr Film "Toni Erdmann" hat zahlreiche Zuschauer und Kritiker überzeugt. "Die muss etwas gewinnen", war am Samstag (14.5.) in Cannes immer wieder zu hören, ebenso wie "Sie ist ein klarer Favorit". Es wäre eine Riesenüberraschung, wenn Maren Ade die Goldene Palme bekäme. Bei den Filmfestspielen von Berlin bekam die mittlerweile 39-Jährige bereits 2009 den Silbernen Bären für ihren Kinofilm "Alle Anderen".

Film hat sie nicht als Erstes studiert. 1998 schrieb sich Maren Ade an der Hochschule für Film und Fernsehen (HFF) in München erst mal für die Abteilung "Produktion und Medienwirtschaft" ein. Zwei Jahre später wechselte die 1976 in Karlsruhe geborene Ade nicht nur das Fach, sondern auch ihre professionelle Ausrichtung: Film und Fernsehspiel - letzteres ist in Deutschland mit einem extrem hohem Qualitätsmaßstab ausgestattet - waren nun ihre Favoriten.

2001 wagte sie zusammen mit Janine Jackowski den Sprung in die Selbstständigkeit als Produzentinnen: "Komplizen Film" hieß die ambitionierte Filmproduktionsfirma, mit der sie von nun an ihre eigenen Projekte anging. "Karma Cowboy" macht 2002 als Film von sich Reden und ihren Namen als Produzentin in der Filmbranche bekannt.

Frankreich Cannes Festival Regisseurin Maren Ade. Foto: REUTERS/Regis Duvignau
Neue Rolle für die Regisseurin (2. v.re): Auftritt mit ihren Schauspielern auf dem Roten Teppich in CannesBild: Reuters/R. Duvignau

Ambitioniertes Regietalent

Ihr eigener Abschlussfilm an der HFF war gleich ein großer Spielfilm. "Der Wald vor lauter Bäumen" erhielt 2005 auf Anhieb den Special Jury Award beim legendären Sundance Film Festival in den USA, das Robert Redford als Forum für den unabhängig produzierten Film gegründet hat. Eine hohe professionelle Anerkennung für einen Debütfilm aus Deutschland.

Im gleichen Jahr wurde ihre Arbeit an diesem Kinofilm auch in Deutschland offiziell gewürdigt und für den Bundesfilmpreis nominiert. Bei einer Festivaltournee quer durch Deutschland brachte diese Kinoproduktion Maren Ade eine Menge Vorschusslorbeeren ein - als Drehbuchautorin und als Regiebegabung.

Sie arbeitet gern mit starken Schauspielern, die ihren Regieeinfällen auch Paroli bieten können. "Ich brauche da ein Gegenüber, mit dem ich mich auf Augenhöhe auseinandersetze", beschreibt sie ihre Dreifachrolle als Drehbuchautorin, Regisseurin und unabhängige Produzentin.

Durchbruch auf der Berlinale

Mit ihrem zweiten Spielfilm gelang Maren Ade dann das, wovon jeder Nachwuchsregisseur nur träumen kann. Die Kinoproduktion "Alle Anderen", mit Birgit Minichmayr und Lars Eidinger in den Hauptrollen, wurde 2009 gleich im Wettbewerb der Berlinale uraufgeführt – und gewann direkt zwei Bären. Maren Ade erhielt als Großen Preis der Jury für ihren Film den Silbernen Bären, Birgit Minichmayr (Foto re) einen Silbernen Bären als Beste Darstellerin.

Szenenfoto aus 'Alle Anderen': Lars Eidinger und Birgit Minichmayr. Foto: Prokino dpa
Erfolg auf der Berlinale: Lars Eidinger und Birgit Minichmayr im Kinofilm "Alle Anderen"Bild: picture-alliance/ dpa

Ein großer Erfolg - und ein Glückfsall für ihre kleine Produktionsfirma, die mittlerweile auch im Ausland zur "Berliner Schule" gerechnet wird. "Für mich ist das eher ein freundschaftlicher Zusammenhang, ich kann mit dem Begriff nicht so viel anfangen", sagt sie dazu. Auch nach dem großen Berlinale-Erfolg bleibt sie bescheiden, stellt aber fest: "Ich merke, dass es einen sehr glücklich macht und Selbstbewusstsein gibt", so Ade im Interview mit dem Onlineportal kino-zeit.de. "Es ist auch eine große Bestätigung. Ich habe jetzt trotzdem nicht das Gefühl, dass ich deshalb weiß, wie man Filme macht."

Aktuelle Nominierung für Cannes

Und dann die überraschende Einladung zu den renommierten Filmfestspielen nach Cannes, die in diesem Jahr vom 11. bis zum 22. Mai stattfinden. Mit ihrem Spielfilm "Toni Erdmann" geht seit Jahren erstmals wieder ein deutscher Film in den Wettbewerb um die Goldene Palme.

Sieben Jahre hat sich Maren Ade Zeit für den Stoff gelassen. "Toni Erdmann" ist eine von zwanzig internationalen Kinoproduktionen, die von der Jury für den Hauptwettbewerb nominiert wurden. Zum letzten Mal lief 2008 ein deutscher Beitrag im Wettbewerb an der Croisette: das Roadmovie "Palermo Shooting" von Regisseur Wim Wenders. Seitdem hatten deutsche Produktionen in Cannes einen schweren Stand.

Mit der aktuellen Einladung in den Hauptwettbewerb geht eine lange Durststrecke für deutsche Produktionen zu Ende. Maren Ade kann auch mit einer hochkarätigen Besetzung aufwarten: Sandra Hüller (38) und Peter Simonischek (69) spielen stilecht einen alternden Musiklehrer und seine karrierebewusste Tochter.

Schauspieler Sandra Hüller und Peter Simonischek. © DW/H.C. von Bock
Witzig und tiefgründig: die beiden Hauptdarsteller Peter Simonischek und Sandra HüllerBild: DW/H.C. von Bock

Das starke Kammerspiel, das in Konkurrenz mit Filmen von Altmeister Petro Aldmóvar und US-Regisseur Jim Jarmusch antritt, hat ernsthafte Aussichten auf eine Golden Palme in Cannes. Unter dem Vorsitz des amerikanischen "Mad Max"-Regisseur George Miller wird die Jury am Ende des Internationalen Filmfestivals in Cannes (11.- 22.5.2016) entscheiden, ob Maren Ade eine goldene Trophäe mit nach Hause nehmen kann.

Gefragt, ob sie für ihre intensiven Beziehungsdramen Vorbilder im Kopf hat, nennt die Regisseurin gern den Kinoklassiker "Wenn die Gondeln Trauer tragen". Auch Ingmar Bergmans abgründiges Leinwanddrama "Szenen einer Ehe" habe sie sich mehrfach angesehen. "Auch da wird viel über den Dialog verhandelt und er ist stark auf zwei Schauspieler konzentriert", erzählt sie.

Maren Ade hat eine ausgeprägte Vorliebe für Alltagsrealität, da holt sie ihre Ideen her. Um den "Beziehungswahnsinn" auf der Leinwand erträglich zu machen, setzt sie in ihrem Filmen immer die richtige Portion Humor ein. Bei ihrer Regiearbeit konzentriere sie sich vor allem auf die Rollenumsetzung der Schauspieler vor der Kamera: "So eine Figur, die man im Kopf hat, wird ausgelöscht, dadurch dass sie jemand spielt. Ich kann das nicht mehr davon trennen."

Genau mit diesem Pfund tritt sie jetzt in Cannes im Wettbewerb an. Die Internationalen Kritiker waren bei der ersten Vorführung des Deutschen Wettbewerbsbeitrag von Maren Ade völlig begeistert.

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