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Regierungskrise in Polen

27. März 2004

Der polnische Ministerpräsident Leszek Miller hat seinen Rücktritt für den 2. Mai angekündigt. Seine Regierung hat die schlechtesten Umfragewerte aller Regierungen seit 1989. Wie es weitergeht, ist offen.

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Bild aus glücklicheren Tagen: Bundeskanzler Schröder bei Premier MillerBild: AP


"Die Stimmung ist gereizt. Die Menschen wollen Antworten auf seit langem offene Fragen", sagte Vize-Parteichef und Innenminister Jozef. Nach der Rücktrittsankündigung des polnischen Ministerpräsidenten Leszek Miller ist die Nachfolgedebatte entbrannt. Als potenzielle Nachfolger werden in Warschau vor allem Innenminister Jozef Oleksy, Außenminister Wlodzimierz Cimoszewicz und der frühere Finanzminister Marek Belka genannt, der in der amerikanischen Zivilverwaltung im Irak für den Bereich Wirtschaft zuständig ist.

Taktischer Rückzug

Die Parteispitze des regierenden Bündnisses der Demokratischen Linken (SLD) sucht nach einem Weg zum Neubeginn. Hinter verschlossenen Türen geht es auch um die Situation nach der Parteispaltung. Denn am 26. März hatten unzufriedene SLD-Mitglieder unter Führung von Parlamentspräsident Marek Borowski die Sozialdemokratie Polen (SDPL) als neue Linkspartei gegründet.

"Wenn es Polen und der polnischen Linken dient, ist meine Wahl der Rücktritt", erklärte daraufhin Noch-Ministerpräsident Miller. Er werde nicht zulassen, dass durch die Krise der Regierung die Integration Polens in Europa und die noch anstehenden Gesetzesprojekte belastet würden. Polnische Journalisten berichteten, dass nach der Bekanntgabe der SDPL-Gründung auf dem Brüsseler EU-Gipfel zwischen Miller und Borowski "kalter Krieg" geherrscht habe. Borowski bezeichnete Millers Entscheidung zum Rücktritt als "ehrenhaft". Er kündigte an, seine Partei wolle mit der SLD im Parlament zusammenarbeiten.

Die Zeit drängt

Staatspräsident Aleksander Kwasniewski will am Montag (29.3.) Gespräche mit den Vorsitzenden der Parlamentsfraktionen führen und den Kabinettsrat, ein Treffen der wichtigsten Minister und Mitarbeiter der Präsidentenkanzlei, einberufen. Dann will Kwasniewski auch seinen Kandidaten für das wichtigste Regierungsamt nennen.

Er erwarte, dass es einen fließenden Übergang der Regierung gebe und der Weg Polens in die Europäische Union nicht bedroht werde, betonte Kwasniewski. Der Nachfolger Millers und seine Regierung müssen sich am 16. Mai dem Vertrauensvotum im Parlament stellen und dabei die Zustimmung von mindestens 230 Abgeordneten erhalten. Kwasniewski will spätestens zu diesem Datum eine neue Regierung einsetzen. Die Zeit drängt, denn Polen tritt am 1. Mai der EU bei und muss bis zum 13. Juni seine ersten Europawahlen organisieren.

Schlechte Stimmung

Millers Regierung liegt in Umfragen wegen mehrerer Korruptionsaffären und einer anhaltend hohen Arbeitslosenrate bei einem Negativrekord von neun Prozent Zustimmungsrate. Polnische Zeitungen spekulierten am Samstag (27.3.) über mögliche Auswege aus der Krise. "Es ist unmöglich vorauszusagen, wohin dieses politische Chaos führen wird", schrieb die größte linksgerichtete Tageszeitung "Gazeta Wyborcza".

Bei vorgezogenen Neuwahlen sei ein Sieg der radikalen Bauernpartei Samoobrona des Populisten Andrzej Lepper zu befürchten. Die "Rzeczpospolitika" erklärte vorgezogene Neuwahlen dagegen zum "einzig möglichen Ausweg aus der Krise". Polens regierendes Bündnis Demokratische Linke (SLD) sieht jedoch trotz der Regierungskrise keinen Grund für Neuwahlen. "Dieses Parlament hat seine Möglichkeiten noch nicht ausgeschöpft. Es kann noch immer eine Regierung stellen, die Polen gut dienen kann", sagte der Vorsitzende der SLD, Krzysztof Janik. (arn)