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Regierungsgegner in Minsk festgenommen

4. Juli 2011

Mehr als 100 Oppositionelle sind bei Protesten am weißrussischen Nationalfeiertag von der Polizei abgeführt worden. Staatschef Lukaschenko fürchtet offenbar einen Umsturz nach dem Vorbild anderer Ex-Sowjetrepubliken.

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Demonstranten und Sicherheitskräfte auf einer Straße in Minsk (Foto: DW)
Die Sicherheitskräfte gingen brutal gegen Protestteilnehmer vorBild: DW

Wie in den Protestländern der arabischen Welt hatte sich die weißrussische Opposition über soziale Netzwerke für Sonntag (03.07.2011) zu Kundgebungen am Rande einer großen Militärparade anlässlich des Nationalfeiertags in Minsk verabredet. Im Internet gab es Aufrufe, eine Rede von Staatschef Alexander Lukaschenko mit heftigem Klatschen zu stören.

Die Sicherheitskräfte, die dies natürlich auch mitbekommen hatten, warnten die Regierungsgegner vor "eigenmächtigem Applaudieren". Mehrere Zuschauer, die trotzdem klatschten, wurden festgenommen und in Polizeifahrzeugen weggebracht. Zu den Massenfestnahmen kam es Stunden nach der Parade am Minsker Bahnhof. Insgesamt wurden nach Agenturberichten mehr als 100 Oppositionsanhänger in Gewahrsam genommen.

Die Polizei ging mit großer Härte gegen Demonstranten und Journalisten vor. Die Beamten setzten Tränengas ein. Die Regierung sperrte zudem die Internetseiten der Opposition und unterbrach den Mobilfunkempfang.

Früherer Präsident festgehalten

Bereits in der Nacht war der frühere Staatschef Stanislaw Schuschkewitsch auf dem Weg nach Minsk vorübergehend festgehalten worden. Er war nach der Unabhängigkeit Weißrusslands von der Sowjetunion 1991 Chef des Obersten Rats des Landes geworden. Im Zuge von Ermittlungen wegen des Verdachts der Bestechlichkeit, die von dem damaligen Chef des Anti-Korruptionskomitees Lukaschenko geführt wurden, wurde Schuschkewitsch von der Macht verdrängt.

Bei der Präsidentschaftswahl im Juni 1994 traten die beiden Männer gegeneinander an, doch konnte sich Lukaschenko gegen seinen Rivalen durchsetzen und führt seither das Land.

Bizarre Parade mit 4000 Soldaten

Militärparade in Minsk (Foto: Andrey Ahlenovich)
Als wäre die Zeit stehen geblieben: Militärparade am NationalfeiertagBild: Andrey Alehnovich

Unter scharfen Sicherheitsvorkehrungen marschierten am Sonntag fast 4000 Soldaten durch Minsk. Dabei wurde auch Kampftechnologie aus Russland präsentiert. Es war eine teilweise bizarre Prozession, die eine Zurschaustellung militärischer Macht mit kulturellen Elementen wie einer Vorführung des weißrussischen Break-Dance-Teams verband.

Der als "letzter Diktator Europas" verschriene Lukaschenko nahm die Parade in Armeeuniform ab. Er zeigte sich mit seinem außerehelichen sechsjährigen Sohn Nikolai, der ebenfalls Uniform trug.

Zerstörung der "sozialen Harmonie"

In seiner Rede erklärte Lukaschenko, seinem Land würden "ohne Skrupel Szenarien einer farbigen Revolution aufgezwungen, wie es sie in anderen Hauptstädten gegeben hat". Dabei nahm er Bezug auf die friedlichen Machtwechsel in der Ukraine und in Georgien.

"Das Ziel dieser Angriffe ist es, Unsicherheit und Sorge zu verbreiten und unsere soziale Harmonie zu zerstören", betonte er. "Sie wollen uns in die Knie zwingen und unsere Unabhängigkeit auf Null reduzieren. Dies wird nicht passieren!"

Wahlfälschung und Wirtschaftskrise

Weißrusslands Präsident Alexander Lukaschenko (Foto: AP)
Regiert das Land mit eiserner Hand: Alexander LukaschenkoBild: AP

Was der Opposition in die Hände spielen könnte: Weißrussland steckt derzeit in einer tiefen Wirtschaftskrise und musste zuletzt seine Währung um 36 Prozent abwerten. Allerdings kann die Regierung bei Problemen auf die Unterstützung des großen Bruders Moskau zählen.

Und seit seiner mutmaßlich gefälschten Wiederwahl im vergangenen Dezember hat Lukaschenko den Kurs gegen Regierungsgegner deutlich verschärft. Doch die Opposition gibt nicht auf. Für kommenden Mittwoch haben die Regierungsgegner zu neuen landesweiten Protesten aufgerufen.

Autor: Thomas Grimmer (dpa, rtr, afp)
Redaktion: Christian Walz