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"Regierung zerstört das Erreichte"

11. Februar 2003

– Früherer ungarischer Premier sprach vor seinen Anhängern

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Budapest, 10.2.2003, BUDAPESTER ZEITUNG, deutsch

Ex-Premier Viktor Orbán hat auf einer Rede die Arbeit der jetzigen Regierung als "unverständliches Zerstörungswerk" bezeichnet. Zum EU-Referendum meinte er, dass es etwas mehr Argumente für ein "Ja" zum Beitritt gebe. Er tröstete seine Zuhörer, die Zeit sei für eine große rechte Volkspartei gekommen.

Orbán setzte mit der Ansprache vor seinen Anhängern die Tradition seiner jährlichen Reden zur Lage der Nation auch nach seinem Regierungsabtritt fort. Von der von Premier Péter Medgyessy versprochenen glänzenden Zukunft sei nichts zu sehen. Statt Antworten bekämen die Bürger nur Propaganda, meinte Orbán. "Die neue Regierung hat behauptet, nur leere Kassen vorzufinden und hat dann doch 300 Milliarden Forint (ca. 1,22, Milliarden Euro - MD) verteilt, die unsere bürgerliche Regierung erarbeitet hat", beklagte er.

"Jetzt wo das Geld ausgegangen ist, versucht die Regierung die Unterstützung für den EU-Beitritt als Unterstützung für die eigene Politik zu verkaufen", kritisierte Orbán. Es gebe keine Diskussion, keine wirklichen Informationen. Der Charakter dieser Regierung sei der gleiche wie in der Zeit, als manche Mitglieder noch gegen die EU wetterten. "Es bringt nichts, das Wörterbuch der Demokratie auswendig zu lernen, wenn die Grammatik dieselbe bleibt", sagte Orbán. Er gab den Rat: "Demokratie beginnt mit dem Anhören des Anderen".

Der Fidesz-Politiker zählte die Leistungen seiner Regierung auf, zu denen er den Széchenyi-Plan zählte, das Nationaltheater, Kredite für Bauern und Studenten, und das Haus des Terrors. Alle diese sieht er von der jetzigen Regierung zerstört. "Die große Mehrheit des Volks ist gegen die Zerstörung der Errungenschaften der bürgerlichen Regierung. Diese vier Jahre werden zum Maßstab für die neue Regierung werden."

Die Verhandlungsergebnisse von Kopenhagen beurteilte Viktor Orbán als katastrophal. Er erwähnte jedoch nicht, dass die meisten Verhandlungskapitel bereits unter seiner Regierung abgeschlossen wurden, so dass der Spielraum der Medgyessy-Regierung nicht mehr zu groß war. Zum Irak-Konflikt sagte Orbán, dass die Regierung das Land trotz der pazifistischen Haltung der Bevölkerung auf unverantwortliche Weise in einen Krieg hinein ziehe.

Der Ex-Ministerpräsident gab keinen Kommentar zu seiner eigenen politischen Zukunft ab, ebenso vermied er Stellungnahmen zum künftigen Kurs des Fidesz. "Ich bin aber überzeugt, dass die Bürgerlichen Kreise einen neuen Geist erweckt haben, der einer großen rechten Volkspartei den Weg ebnen wird", schloss er.

Orbáns Vorgänger als Ministerpräsident, der MSZP (Ungarische Sozialistische Partei - MD)-Politiker Gyula Horn, bezeichnete den Auftritt als "EU-feindlich". Der Fidesz (Bund Junger Demokraten - MD) verhalte sich in der Beitrittsfrage doppelzüngig und würde Zweifel an den Vorteilen der EU-Mitgliedschaft säen. "Orbán verwechselt seine eigene schlechte Laune mit der Stimmung in der Bevölkerung", spottete Horn. Wer den Beitritt unterstütze, diene der Zukunft seiner Kinder und Enkel. Er widersprach Orbán auch in Sachen Irak-Konflikt: "Wir nehmen unsere Aufgabe als Verbündeter ernst und tun alles zu einer Vermeidung eines Kriegs". Orbán, so Horn, sei nach der Wahlniederlage im April "noch nicht wieder zu sich gekommen".

Trockener kommentierte SZDSZ (Bund Freier Demokraten - MD)-Parteichef Gábor Kuncze den Orbán-Auftritt. "Die Beurteilung der Lage des Landes gehört ins Parlament", sagte der Koalitionspolitiker. "Péter Medgyessy wird dort am 11. Februar seine Sichtweise präsentieren - und auch der Abgeordnete Viktor Orbán wird dort dazu Gelegenheit erhalten." (fp)